Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
kein Freund, Aurora. Dieses Privileg darf ich nicht beanspruchen. Wir sind uns nur ein einziges Mal begegnet. Ich habe sie nie vergessen – eine wunderbare Frau.«
»Das ist sie«, stimmte ich zu.
Aber sein träumerischer, von Lydia-Bell-Erinnerungen verschleierter Blick wurde bereits von dem Gesichtsausdruck verdrängt, der normalerweise den neuesten Büroklatsch ankündigte. Um die Spannung zu steigern, rieb er sich die Hände. »Punkt zwei – Martha hat uns am Freitagabend verlassen.«
»Was?« Hatte sie mich deshalb gebeten, am Wochenende für sie einzuspringen? War sie deshalb so sauer gewesen wegen meiner Weigerung?
»O ja, Aurora, während du weg warst, ist viel passiert. Und du wirst niemals erraten, wohin sie gegangen ist.« Seine Augen funkelten vor Vergnügen.
»Moment mal – sie ist einfach verschwunden? Ohne Kündigung?«
»Nun …« Lysander beugte sich wieder vor. Ich merkte ihm an, wie ungeduldig er darauf gewartet hatte, mir – dem einzigen noch ahnungslosen Redaktionsmitglied – die Ereignisse zu schildern. »Sie hat Amanda erzählt, sie habe einen Anwalt für Arbeitsrecht konsultiert und habe geplant, Country House wegen ungerechtfertigter Degradierung und altersbedingter Diskriminierung zu verklagen. Aber stattdessen würde sie sich mit einem Jahresgehalt als Abfindung begnügen. Ohne Kündigungsfrist.«
»Nur ein Jahresgehalt? Das ist viel zu wenig – nachdem sie zwanzig Jahre hier war!« Warum ich mich auf Marthas Seite schlug, wusste ich nicht so recht. Sie hatte mich ständig drangsaliert. Aber wie konnte sie diesen Job – ihr Leben – einfach aufgeben? Sie würde nirgends eine neue Stelle finden. Und ihre Altersversorgung? Ihre Rente?
»Dort, wo sie hingeht, braucht sie kein Geld«, sagte Lysander grinsend.
»Natürlich braucht sie Geld!«, fuhr ich ihn an. Da er aus einer steinreichen Familie stammte, hatte er keine Ahnung von den finanziellen Problemen einer älteren arbeitslosen Frau. »Es sei denn … Nein! Sie geht doch nicht ins Kloster ?« Das würde zu ihr passen, damit würde sie der aufgepeppten, auflagensüchtigen Country - House- Redaktion ihre moralische Überlegenheit demonstrieren – und kein Geld benötigen.
»Ins Kloster?« Lysander schrie vor Lachen und schlug sich auf die Schenkel. »O nein, meine liebe Aurora, ganz im Gegenteil.«
Allmählich ärgerten mich seine Andeutungen.
»Geht sie etwa in ein Bordell?«, giftete ich zurück.
Da erstarb sein Grinsen. »Bitte, sprich nicht so über meine zukünftige Cousine«, mahnte er in strengem Ton. »Der Name Honeywell darf niemals in den Schmutz gezerrt werden.«
»Deine Cousine?« So langsam ging mir ein Licht auf. Marthas neue Garderobe in den sanften Farben, die Wochenendreisen … Hatte sie nicht an einem Montagmorgen eine Dose schottisches Buttergebäck ins Büro mitgebracht? Wie blind war ich gewesen! Wir alle. »Nein! Teddy?«
»Genau!« Jetzt strahlte Lysander wieder über das ganze Gesicht. »Ethelred! Um mir die Mühe zu ersparen, bot sie mir an, die Kontaktadressen der Frauen, die sich seinetwegen auf der Website gemeldet hatten, an ihn weiterzuleiten. Doch die gingen irgendwie verloren, und so kontaktierte sie ihn selber. Et voilà – l’amour!«
Beinahe hätte ich in die Hände geklatscht. Es war wie ein Märchen. Martha – eine Schlossherrin! »Erstaunlich«, sagte ich.
»Oh, verdammt!« Ticky kam ins Büro getanzt und schwang ihre Handtasche von der Schulter. »Quatscht du immer noch über Martha, Lysander? Oh Mann! Zieh Leine und fang mal an, dein eigenes Leben zu leben!« Sie hatte sich drohend vor ihm aufgebaut. In ihren Stilettos, knielangem Rock und Bluse wirkte sie geradezu einschüchternd. Ich war seit Jahren an ihren College-Look gewöhnt und starrte diese neue Business-Ticky entgeistert an.
»Raus!«
Gehorsam sprang er auf. »Tut mir leid, Victoria«, murmelte er und floh aus dem Büro.
»Großer Gott, Rory, ich bin so froh, dass du wieder da bist – das war ein Albtraum!«, stöhnte sie und ließ sich in den Chintzsessel fallen. »Martha haut ab, du bist nicht da, und absolut alles landet auf meinem Schreibtisch.«
»Das war auch für mich keine besonders angenehme Woche, Ticky«, erwiderte ich kühl.
»Oh, tut mir leid, Roars!«, entschuldigte sie sich und schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. »Ich bin so unhöflich … Wie geht’s deiner Tante? Maaahn sagt, sie sei mal berühmt gewesen?«
»Danke, ihr geht’s gut.« Sollte ich mir ein T-Shirt besorgen,
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