Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
denken musste – an seine Fingerspitzen, wie sie meinen Nacken entlangfuhren, an die Stelle unter meinem Ohrläppchen, die er entdeckt und über die ich noch nie nachgedacht hatte und die das Potenzial hatte, meine Knie weich werden zu lassen, und daran, wie ich ihm mit den Händen durch die Haare fuhr und immer die eine widerspenstige Locke zurückstrich, wenn wir uns küssten, daran, wie weich sich seine Wange an meiner anfühlte, an die Wärme seines Nackens, wo er immer ein bisschen Sonnenbrand hatte.
Aber jetzt wollte ich ernsthaft versuchen, mich von diesen Gedanken loszureißen und mich auf Lucy zu konzentrieren. »Tut mir leid«, sagte ich etwas belämmert. »Echt. Was ist los?«
Sie sah mich einen Moment zweifelnd an, doch dann zog sie ihr Handy aus der Tasche. »Also gut«, sagte sie. »Zum zweiten Mal jetzt.« Sie zog eine Augenbraue hoch, und ich bemühte mich, ehrlich zerknirscht auszusehen. »Es ist wegen Brett. Ständig simst er mir, dass er in Kontakt bleiben und vielleicht sogar ’ne Fernbeziehung mit mir will, was vollkommen beknackt ist, denn wir haben uns doch erst drei Mal getroffen und so.«
»Na ja«, sagte ich nachdenklich. »Vielleicht solltest du dir doch vorläufig lieber den Rücken freihalten. Ich meine, Brett ist ja nicht mal hier. Und vielleicht gibt es ja doch noch jemanden, an den du bisher gar nicht gedacht hast?«
»Wenn hier einer wäre, hätt ich das ja wohl mitgekriegt«, grummelte Lucy. Ich machte den Mund auf und wollte etwas erwidern – vielleicht um noch mal für Elliot ein Wort einzulegen –, als sie sich grinsend umschaute und den Kopf wiegte. »Na, wen haben wir denn da?«
Ich folgte ihrem Blick und sah, wie Henry in seinem Bäckerei-Shirt winkend auf uns zukam. Allein sein Anblick lockte ein breites Lächeln auf mein Gesicht.
»Ach, du ahnst es nicht«, stöhnte Lucy und verdrehte die Augen, als sie meinen entrückten Gesichtsausdruck sah. »Ich nehm mal an, das war gerade mein Stichwort für den Abgang.«
»Nee, bleib ruhig«, widersprach ich, aber sogar ich hörte, wie halbherzig das klang, und sie musste lachen.
»Netter Versuch«, sagte sie. »Aber du lügst nicht besonders gut.«
»Also bis morgen dann?«, fragte ich.
»Aber sicher.« Sie stand auf, zog sich Shorts und Tanktop über den Bikini, stopfte ihr Handtuch und die Zeitschriften, die wir zusammen durchgeblättert hatten, in den Baumwollbeutel, und in dem Moment erschien Henry auf dem Steg. »Hi«, sagte sie und ging mit einem freundlichen Rempler an ihm vorbei. Seit ich wusste, dass sie mal miteinander gegangen waren, flatterte mein Herz mehr, als ich zugeben wollte, wenn ich sie nebeneinander sah. Aber schon nach ein paar Minuten kapierte sogar ich, dass nichts mehr zwischen ihnen war. Eigentlich benahmen sie sich eher wie Geschwister.
»Willst du etwa schon los?«, fragte Henry. Und obwohl er ganz offensichtlich versuchte, enttäuscht zu klingen, verstand ich genau, was Lucy gemeint hatte. Auch Henry log nicht besonders gekonnt. Lucy schüttelte nur den Kopf und winkte uns noch kurz zu.
»Hi«, begrüßte ich ihn und schirmte mit der Hand meine Augen vor der Sonne ab.
»Selber Hi«, sagte er und setzte sich neben mich. Ich bemerkte, wie er beim Anblick meines Bikinis große Augen machte, und lachend küsste ich ihn. Er schmeckte süß, irgendwie nach Buttercreme, und ich hatte so eine Ahnung, dass er diese Woche Torten glasierte.
Als wir uns voneinander gelöst hatten, langte er nach seinem Rucksack und zog den Reißverschluss auf. Er förderte eine quadratische, grüne Kuchenschachtel zutage, die kleinste, die man in der Nussecke bekommen konnte, und hielt sie mir entgegen. Ich hatte das Gefühl, dass ich jetzt irgendwie protestieren musste, schon aus Höflichkeit und Respekt vor den Einnahmen seines Vaters, aber ich wusste, dass ich das nicht überzeugend hinbekommen würde. Lächelnd nahm ich die kleine Schachtel in die Hand. Es war gar nicht so übel, eine Beziehung mit jemandem zu haben, der in einer Bäckerei arbeitete, wie ich inzwischen herausgefunden hatte. »Was ist es denn heute?«, fragte ich, hob neugierig den Deckel und lugte hinein. Darin befand sich ein Cupcake aus gelbem Teig mit einer weißen Glasur, mit einem T aus winzigen Schoko-Chips obendrauf. »Oh, sieht das toll aus«, strahlte ich und fühlte, wie schon der Anblick meinen Magen knurren ließ.
»Ein Zitronen-Cupcake«, sagte er. »Mit der neu entwickelten Vanille-Zitronen-Glasur von meinem Vater. Er will deine
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