Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
die die Kundin wollte, vor mich auf den Tresen und drückte den Plastikdeckel auf den Becher. Dann stellte ich den Becher mit den Eiswürfeln daneben und schob beides zusammen zu ihr hin. In dem Moment signalisierte die Klingel, dass Elliot die Fritten fertig hatte. Ich nahm die warme Schale – mit dem frischen Bratgeruch, der meinen Magen knurren ließ, obwohl es erst früh um elf war –, bestreute sie großzügig mit Salz und stellte sie neben das Getränk. Sie telefonierte gerade, als sie ihre Bestellung abholte, aber mit den Lippen formte sie ein Danke und balancierte alles zu ihrem Handtuch.
Ich schaute hinaus auf den fast leeren Strand, trat von einem Fuß auf den anderen und hoffte, auf diese Weise etwas Wärme in meine Glieder zu bekommen. Es war ein bewölkter Tag und wir hatten bisher erst drei Kunden gehabt. Lucy hatte ebenfalls Dienst, aber sie war vor einer halben Stunde rausgegangen, um jemanden anzurufen, und noch nicht zurück. Ich rubbelte mir mit den Händen über die Arme und bereute, mir nicht wie Elliot einen Pullover über mein Dienst-Shirt gezogen zu haben. Sogar Leland war so schlau gewesen.
Wenn ich wie Elliot und Lucy mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren wäre, hätte ich zweifellos etwas Wärmeres angezogen. Aber ich fuhr immer noch mit dem Auto, auch wenn mir meine Mutter schon mehrmals gesagt hatte, wie unpraktisch es war, dass das Auto den ganzen Tag ungenutzt auf dem Parkplatz beim Strand herumstand. Und obwohl mein Dad das Fahrrad meiner Mutter für mich flottgemacht hatte, stand es unangetastet in der Garage. Ich war mir nicht sicher, ob es möglich war, das Radfahren vollständig zu verlernen, aber ich hatte es auch nicht besonders eilig, das herauszufinden.
»Kalt?« Ich schaute auf und sah, wie Elliot sich auf den Tresen schwang, um sich neben mich zu setzen.
»Ein bisschen«, sagte ich. Ich trank einen Schluck von dem Kakao, den ich mir an dem Morgen gemacht hatte, der aber nicht mehr wirklich heiß war und deshalb nicht viel half.
»Da drin findet sich bestimmt was«, sagte Elliot und zeigte auf eine Kiste unter dem Tresen.
»Ach, ich weiß nicht.« Skeptisch zog ich den Karton mit den Fundsachen hervor. In der einen Woche, die ich dort gearbeitet hatte, hatte ich diese Kiste schon bestens kennengelernt. Obwohl der Sommer gerade erst angefangen hatte, quoll sie schon über. Ich kramte darin herum und wunderte mich, was die Leute so alles am Strand liegen ließen. Also, ich meine, wie kann man denn vom Strand aufbrechen und nicht mitkriegen, dass man nicht mehr in Besitz seines Bikinioberteils ist? Oder seines linken Flip-Flops, Herrengröße 45? Das einzige warme Kleidungsstück, das sich in der Kiste fand, war ein ausgesucht hässliches weißes Sweatshirt, auf dem vorn in grünen Buchstaben stand: Teachers Do It With Class!
Elliot nickte zustimmend. »Hübsch.«
Es war eher das komplette Gegenteil von hübsch, aber in dem Moment frischte der Wind noch weiter auf und zwei der noch verbliebenen Leute am Strand erhoben sich und falteten ihre Handtücher zusammen. Ich fröstelte und zog mir resigniert das hässliche Teil über den Kopf.
»Hab gehört, du hast Henry getroffen?«
Ich erstarrte und fragte mich, ob ich vielleicht einfach in der Haltung bleiben sollte, bis mir eingefallen war, was ich sagen konnte. Andererseits bezweifelte ich, dass ich mich für längere Zeit in einem Sweatshirt verstecken konnte, ohne völlig plemplem zu wirken. Ich schob also meinen Kopf durch den Halsausschnitt, strich mir die Haare glatt und zwang mich, nicht rot zu werden, obwohl mein Gefühl mir mitteilte, dass genau das gerade passierte. Keine Ahnung, warum ich bis dahin noch nicht auf den Gedanken gekommen war, dass Elliot und Henry immer noch miteinander befreundet waren. Ich hätte gern gewusst, von welcher unserer peinlichen Begegnungen er Elliot berichtet hatte – oder ob er ihn gleich komplett ins Bild gesetzt hatte. »Ähm,ja«, sagte ich und schob sehr bedächtig die Kiste mit den Fundsachen wieder zurück an ihren Platz unter dem Tresen. »Ein paar Mal.«
Eindringlich musterte ich Elliot und wollte, dass er mir sagte, was Henry ihm über diese Begegnungen erzählt hatte, ohne ihn darum bitten zu müssen. »Also …«, fing ich an und brach gleich wieder ab, da ich keine Ahnung hatte, wie ich die Frage formulieren sollte, ohne irgendwie bedürftig oder erbärmlich zu klingen – zumal mir klar war, dass dieses Gespräch wahrscheinlich auf direktem Wege zurück zu Henry
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