Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
Jahr los?«
Elliot wurde wieder rot und Lucy kam noch mal zurück, sah auf ihr Handy und sagte: »Fred hatte Elliot beauftragt, die Filme auszusuchen.« Seit unserer ersten Begegnung hatte Lucy mich nicht mehr so klar und direkt angesprochen. Daher nickte ich einfach nur, weil ich nicht riskieren wollte, dieses unerwartet sprießende, zarte Pflänzchen zu knicken.
»›Sommerfilme‹ hatte er gemeint.« Elliot ging wieder in Verteidigungshaltung. »Und ›was mit Strand‹. Also …«
»Also hat er sich für Der weiße Hai entschieden«, sagte Lucy kopfschüttelnd, während sie immer noch auf ihr Handy statt zu mir sah. »Für eine Strandaufführung, direkt am Wasser. Ein Kind musste weggetragen werden, weil es so laut geschrien hat.«
Elliot räusperte sich. »Na, egal«, sagte er laut. »Worum es eigentlich geht …«
»Und dann«, fuhr Lucy fort und warf mir doch tatsächlich ganz kurz einen Blick zu, ehe sie sich wieder in ihr Display vertiefte, »hat er noch so einen grässlichen Science-Fiction-Film rausgesucht, von dem kein Mensch je was gehört hat …«
»Der Wüstenplanet ist ein absoluter Klassiker«, protestierte Elliot aufgebracht, obwohl er noch röter war als zuvor. »Und da kommen auch keine Haie drin vor – mehr hatte Fred nicht verlangt.«
»Aber Sandmonster«, sagte Lucy nur. »Hallo … am Strand, ja? Wieder mussten schreiende Kinder weggetragen werden.«
»Aber was wir daraus lernen«, setzte Elliot an, »ist, dass …«
»Und was war wohl Film Nummer drei?« Lucy schüttelte wieder den Kopf. »Für ein Publikum aus Kindern und ihren Eltern?«
»Also, das war so«, wandte sich Elliot jetzt direkt an mich, als ob er sein eigenes Plädoyer hielt. »Da meine ersten beiden Entscheidungen offenbar nicht so gut ankamen, hab ich mich halt im Internet informiert, was der beliebteste Sommerfilm ist. Und selbst das hat offenbar nicht funktioniert.«
Fragend sah ich Lucy an, die immer noch ihren Kopf schüttelte. »Dirty Dancing«, sagte sie. »Kam bei Müttern von Sechsjährigen nicht ganz so gut an.«
»Also«, sagte Elliot, der jetzt dringend das Thema wechseln wollte, »bevor du deine Wahl triffst, red lieber erst mal mit Fred. Und wenn du deine Einführung schön kurz hältst, kann eigentlich gar nichts schiefgehen.«
»Einführung?«, fragte ich. Ich spürte, wie meine Handflächen feucht wurden. »Was soll das denn heißen?«
»Bis morgen dann«, trällerte Lucy, hängte sich im Gehen ihre Tasche um, verabschiedete sich mit einem eher allgemeinen Winken in Richtung Imbiss und verschwand dann durch die Tür. Elliot sah ihr nach und starrte noch einen Moment auf die hinter ihr zugefallene Tür.
»Elliot?«, beharrte ich. Hastig sah er zu mir und rückte seine Brille zurecht. Das tat er immer, wenn er wegen irgendwas nervös oder verlegen war. »Elliot, was für eine Einführung?«
»Ach so, ja«, nahm er den Faden wieder auf. »Ist total easy. Du stehst halt kurz auf, bevor es losgeht, erzählst ein bisschen was über den Film und wie lange der Imbiss geöffnet hat. Zack, fertig.«
Ich nickte und versuchte zu lächeln, als er ging, aber mein Herz schlug wie wild und ich überlegte voller Panik, ob das vielleicht endlich mein Ausweg aus diesem Job war. Vor größeren Menschenmengen sprechen zu müssen fand ich grausam, seit ich denken konnte. Ein oder zwei Leuten was zu erzählen war kein Problem, aber sobald es sich um eine große Gruppe handelte, verwandelte ich mich in ein nervliches Wrack – ich fing an zu stammeln, zu schwitzen und zu zittern. Das Ergebnis war, dass ich um solche Situationen einen riesigen Bogen machte. Ich hatte echt keinen Schimmer, wie ich in nur drei Tagen einfach aufstehen und vor einer Menschenmenge etwas sagen sollte.
Der Rest des Nachmittags kroch träge dahin. Es kamen insgesamt nur noch zwei Kunden, die beide etwas Heißes zu trinken wollten. Als der Zeiger der Uhr über der Mikrowelle der Fünf näher rückte, begann ich mit dem Feierabendritual … Tresen abwischen, Kassenschluss, Quittungen abheften, Kaffeemaschine reinigen und ausschalten. Gerade wollte ich das Gitter herunterziehen und abschließen, als ich hinter mir jemanden rufen hörte. »Hallo, Moment bitte! Haben Sie noch geöffnet?«
Kurz darauf kam ein rotgesichtiger Herr (allerdings nicht zu vergleichen mit Fred) mittleren Alters angerannt. Huckepack trug er einen kleinen Jungen. »Tut mir furchtbar leid«, keuchte er, setzte seinen Sohn ab und lehnte sich einen Moment japsend an die
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