Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
strich über den weichen Filz. Lächelnd öffnete ich die Augen und ließ den vorigen Abend in Gedanken noch einmal ablaufen. Er war absolut perfekt gewesen und deshalb wollte ich keinen einzigen Moment vergessen.
Seit ich denken konnte, war der Jahrmarkt von Lake Phoenix ein Muss. Er dauerte ein Wochenende, und ich war mit Henry gleich am ersten Abend hingegangen – den mochte ich nämlich immer besonders gern, weil die Wiese dann noch nicht zertreten und schlammig war, einem an den Slush-Buden noch nicht übel wurde und man noch nicht daran erinnert worden war, wie wenig Leute an den Buden tatsächlich Preise gewannen. Am Anfang war alles noch spannend und magisch, eben so wie am vergangenen Abend.
Seit unserem Kino-Date waren Henry und ich wie bisher fast jeden Tag zusammen unterwegs, auch wenn es jetzt keine Kinderfreundschaft mehr mit Wettrennen zum Strandimbiss war. Alles war ein bisschen komplizierter, aber auch viel aufregender geworden. Wenn ich jetzt abends heimkam, interessierte ich mich kaum für das Abendessen, sondern ging in Gedanken noch einmal die zahllosen kurzen Augenblicke mit Henry durch – die Lachgrübchen in seinen Wangen, wie er mir über die Hand strich, wenn er mir mein Eis reichte. Auch wenn er noch nicht versucht hatte mich zu küssen, wurde es mit jedem Tag wahrscheinlicher, und ich fragte mich, wann es wohl passieren würde: wenn er mir die Hand reichte, um mir aufs Badefloß zu helfen, ich ihn aber stattdessen ins Wasser zog und wir zur selben Zeit wieder auftauchten und uns dabei so nahe kamen, dass ich die Wassertropfen an seinen Wimpern sehen konnte? Oder wenn er mich mit dem Fahrrad nach Hause brachte, dann unschlüssig stehen blieb und sich räusperte, als ob er versuchte Mut zu fassen? Bei keiner dieser Gelegenheiten war es bisher passiert, aber trotzdem waren sie unglaublich aufregend, und ich war glücklich, dass so was endlich auch mir passierte, nachdem ich immer nur in Zeitschriften davon gelesen hatte.
Der einzige Wermutstropfen dabei war Lucy, die ständig nachfragte, was Henry denn nun von ihr hielt. Immer wenn sie das Gespräch darauf brachte, wich ich aus und versuchte so schnell wie möglich aufzulegen.
Ich richtete mich in meinem Bett auf, setzte mir den Pinguin auf die Knie und versuchte nicht an Lucy zu denken. Henry und ich waren zusammen auf dem Jahrmarkt gewesen, nur zu zweit. Das war gar nicht so leicht gewesen, denn Gelsey klebte mir eigentlich ständig an den Fersen, aber mit fünf Dollar von dem Geld, das ich von Dad für den Abend bekommen hatte, konnte ich Warren bestechen, auf sie aufzupassen. Außerdem hatte ich ihm versprochen, ihm nächstes Mal bei Jane ein Eis zu spendieren.
Nach den langwierigen Verhandlungen mit Warren war ich über den Rummel gelaufen und hatte nach Henry Ausschau gehalten. Dabei hämmerte mein Herz vor lauter Aufregung. Es war noch ziemlich früh am Abend, die Sonne war noch nicht ganz untergegangen, und die Neonlichter an den Fahrgeschäften und Buden gingen gerade erst an. Man hörte die Wagen der Karussells rattern, Fahrgäste kreischen und Budenbesitzer rufen, dass man näher kommen, ein Los ziehen oder anderweitig sein Glück versuchen sollte.
Der Krapfenstand war ganz am anderen Ende des Platzes,aber schon von Weitem roch man den frittierten Teig mit Puderzucker – eine Kombination, bei der mir jedes Mal das Wasser im Mund zusammenlief. Unter dem Schild mit der Leuchtwerbung für Krapfen und Limonade sah ich Henry stehen, dessen dunkle Haare in das rosarote und neongelbe Licht getaucht waren.
»Gut siehst du aus«, sagte er, als ich bei ihm ankam.
»Danke«, antwortete ich mit entzücktem Lächeln. Auch ohne Lucys Hilfe hatte ich meine Haare einigermaßen hingekriegt und dazu mein neues T-Shirt angezogen. »Du auch.« Es war nicht zu übersehen, dass seine sonst so strubbeligen Haare heute sehr ordentlich wirkten – sogar die Kammspuren waren noch erkennbar.
In der Luft hing ein süßer Duft, Henry nahm meine Hand und fragte lächelnd: »Na, wo fangen wir an?«
Wir begannen mit dem Scrambler, gingen weiter zum Roundup und anschließend zum Riesenrad (wo wir die Kabine so sehr zum Schaukeln brachten, dass wir uns einen Anpfiff vom Ordnungspersonal einhandelten). Nachdem wir die für den Magen anstrengendsten Attraktionen hinter uns hatten, aßen wir zusammen Krapfen und Popcorn und teilten uns eine himmelblaue Portion Zuckerwatte, nach der wir fleckige Zähne und total klebrige Finger hatten.
Den Pinguin hatte
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