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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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einen kurzen Moment war es, als wären wir wieder zwölf. Ich deutete aufdie Skittles-Tüte. »Isst du die gar nicht mehr nach Farben sortiert?«
    Verwundert blinzelte sie mich an, dann erinnerte sie sich und grinste. »Nee, schon seit Jahren nicht mehr.« Durch die Dunkelheit warf sie mir einen prüfenden Blick zu. »Wieso? Machst du das noch?«
    »Nee«, log ich, wobei ich versuchte, möglichst gleichgültig zu klingen. »War bloß … so ’ne Frage.« Lucy zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts. Ich wandte den Blick ab und tat, als ob ich mich auf die Straße konzentrierte, wobei ich bemerkte, dass wir bei der Senke angekommen waren. Man wohnte hier entweder auf der einen Seite vom See oder auf der anderen, und die Senke war so was wie die Trennlinie dazwischen. Das war immer die Stelle gewesen, wo wir uns verabschiedet hatten, wenn wir irgendwo zusammen gewesen waren, und früher hatten dazu langwierige, höchst ausgefeilte Händeklatschrituale gehört. Aber Lucy ging weiter zielstrebig den Abhang hinunter, in die andere Richtung von ihrem Haus. »Wohin willst du denn?«, rief ich.
    Sie blieb stehen und sah mich an. »Na, zu dir«, antwortete sie, als ob wir das schon längst beschlossen hätten. »So kann ich doch unmöglich nach Hause. Meine Mutter bringt mich um.«
    Ich war mir nicht so sicher, ob die Reaktion meiner Mutter irgendwie freundlicher ausfallen würde, wenn sie mitkriegte, dass ich mich früh um drei mit einer angetrunkenen Lucy ins Haus schlich. Aber wenigstens war ich eindeutig nüchtern. Ich machte mich daran, mein Rad hinter ihr her den Hang hinunterzubugsieren, doch dann blieb ich stehen, während mein Herz in Erwartung dessen, was ich zu tun beabsichtigte, zu hämmern begann und ich das Adrenalin in meinen Adern spürte. »Wir sehen uns drüben«, rief ich ihr zu, während ich mich auf den Sattel schwang.
    »Was?«, rief sie zurück und drehte sich nach mir um. Ich stieß mich ab, raste in voller Geschwindigkeit an ihr vorbei und versuchte, mit ganzer Kraft in die Pedale zu treten, selbst als ich schon spürte, wie mich die Schwerkraft immer schneller nach unten zog. Ich ignorierte meine innere Stimme, die mir sagen wollte, dass das gefährlich war, dass ich zu schnell fuhr, dass ich mir wehtun würde. Ich fuhr einfach immer weiter, und ehe ich mich versah, hatte ich die Talsohle erreicht und der Schwung trug mich auf der anderen Seite nach oben. Doch ich wusste, dass er nicht ausreichte, und bewegte meine Beine so energisch wie noch nie. Natürlich fiel mir das Treten schon bald furchtbar schwer. Ich fühlte, wie meine Waden brannten vor lauter Anstrengung, mich – und das sinnlos schwere Fahrrad meiner Mutter – den Hang hinaufzubringen. Doch diesmal dachte ich nicht daran, aufzugeben. Nicht nur deshalb, weil Lucy mich beobachtete, sondern weil ich an diesem Abend schon einmal aufgegeben hatte. Meine Atemzüge wurden immer kürzer, aber ich zwang mich keuchend bis nach ganz oben auf der anderen Seite. Als ich es geschafft hatte, nahm ich die Füße von den Pedalen und warf mich schwer atmend über den Lenker.
    Ich schaute nach unten, wo Lucy gerade anfing, den Berg hinaufzukommen. Aber selbst von ganz oben konnte ich erkennen, dass sie Beifall klatschte.
    »Psst«, ermahnte ich Lucy, als ich neben dem Eingang meine Flip-Flops auszog und mit dem Schlüssel in der Hand zur Tür ging.
    »Ja, ich weiß«, sagte sie und unterdrückte wieder ein Gähnen. »Keine Angst.«
    Langsam drehte ich den Knauf und drückte die Tür Zentimeter um Zentimeter auf, in der Hoffnung, dass sie nicht quietschte. Beim Hineingehen sah ich zur Uhr an der Mikrowelle, die fünf nach drei anzeigte – ganz sicher keine Zeit, um die ich meine Eltern aufwecken wollte.
    »Wow«, sagte Lucy nicht ganz so leise, wie ich es mir gewünscht hätte, und schaute sich um. »Hat sich kein bisschen verändert.«
    Vorsichtig schloss ich hinter uns die Tür. »Ich weiß«, flüsterte ich, während ich hinter ihr den Flur entlang bis zu meinem Zimmer schlich. »Los, komm jetzt.«
    »Nein, ich meinte, es hat sich überhaupt nicht verändert«, wiederholte sie noch ein bisschen lauter. In seinem Körbchen am Fenster zuckte Murphy mit den Ohren, und ich hoffte innig, dass er nicht aufwachen und bellen würde. »Irre.« In dem Moment bemerkte sie den schlafenden Hund. »Seit wann habt ihr denn einen Hund?«, wollte sie wissen und flüsterte jetzt überhaupt nicht mehr, sondern sprach in ganz normaler Lautstärke.
    »Seit heute«,

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