Vergiss die Toten nicht
immer wie in Paris«, meinte eine der beiden.
Adam und ich haben unsere Flitterwochen in Paris verbracht, erinnerte sich Nell. Er war noch nie dort gewesen, und es hat mir großen Spaß gemacht, ihm alles zu zeigen.
Mac war es gar nicht recht gewesen, dass sie und Adam schon so bald geheiratet hatten. »Gebt euch ein Jahr Zeit«, hatte er geraten. »Dann veranstalte ich für euch eine Hochzeit, über die die ganze Stadt sprechen wird. Das ist auch gut fürs Renommee.«
Er verstand nicht, warum Nell gegen ein rauschendes Hochzeitsfest war. Für sie jedoch lag der Grund auf der Hand: Große Hochzeiten war etwas für Leute mit vielen Angehörigen.
Nel hingegen hatte keine Cousinen, die als Brautjungfern fungieren konnten, keine Großmütter, die sentimentale Geschenke machten, und keine Nichten, die Blumen streuten und ihr die Schau stahlen.
Sie und Adam hatten über dieses Thema gesprochen. Auch noch so viele Freunde konnte keine Familie ersetzen, ohne die einem derartigen Fest einfach die Atmosphäre fehlte. Und da Mac und Gerti die einzigen Verwandten waren, hatten sie beschlossen, im kleinen Kreis zu heiraten.
»Also eine schlichte Hochzeit mit wenigen Gästen«, hatte Adam gesagt. »Wir brauchen keine Reporter und kein Blitzlichtgewitter. Und wenn ich anfange, meine Freunde einzuladen, wird es sowieso eine Massenveranstaltung.«
Wo waren diese Freunde heute?, fragte sich Nell.
Als sie Mac eröffnet hatte, dass sie und Adam heiraten würden, hatte er einen Wutanfall bekommen.
»Wer zum Teufel ist dieser Bursche, Nel ? Du kennst ihn ja kaum. Gut, er ist Architekt, stammt aus North Dakota und hat hier in New York mit einem miesen Job angefangen. Aber was weißt du sonst über ihn?«
Also hatte er – typisch Mac – Erkundigungen über ihn eingezogen. »Das College, das er besucht hat, ist unterste Kategorie, Nell. Glaub mir, der Kerl ist ganz bestimmt nicht der Stararchitekt des neuen Jahrtausends. Und bis jetzt hat er nur in winzigen Architekturbüros gearbeitet, kleinen Klitschen, die Einkaufszentren und Altenwohnanlagen planen. Also nichts von Bedeutung.«
Aber er hat sich – eben auch typisch Mac – doch wieder von mir erweichen lassen, dachte Nell. Nachdem er sich mit ihrer Entscheidung abgefunden hatte, hatte er Adam mit seinen Freunden Robert Walters und Len Arsdale bekannt gemacht, die ihn prompt eingestellt hatten.
Inzwischen stand sie vor ihrer Haustür. Als sie die Wohnung vier Jahre zuvor gekauft hatte, hatte sie gerade das College abgeschlossen. Mac hatte einfach nicht eingesehen, warum sie nicht zu ihm in sein Backsteinhaus wollte.
»Du wirst mein New Yorker Büro leiten und abends Jura studieren. Also spar dein Geld«, sagte er.
»Es ist Zeit, dass ich auf eigenen Füßen stehe, Mac«, widersprach sie.
Damals hatte Carlo, der Pförtner, seine Stelle eben erst angetreten. Sie wusste noch, wie er ihr geholfen hatte, die Sachen aus dem Auto auszupacken und das wenige, das sie aus Macs Haus mitgenommen hatte, nach oben zu tragen. Heute war seine Miene besorgt, als er ihr die Tür öffnete. »War sicher ein schwerer Tag für Sie, Ms. MacDermott«, sagte er und sah sie mitleidig an.
»Stimmt, Carlo.« Nell empfand die Anteilnahme des Mannes als tröstend.
»Hoffentlich können Sie sich jetzt endlich ausruhen.«
»Genau das habe ich vor.«
»Wissen Sie, ich habe eben an die Dame gedacht, die bei Mr.
Cauliff gearbeitet hat«, sprach Carlo weiter.
»Winifred Johnson?«
»Genau. Sie war doch am Tag des Unfalls hier.«
»Richtig.«
»Wenn sie herkam, war sie immer so nervös und wirkte sehr schüchtern.«
»Richtig«, sagte Nel noch einmal.
»Als ich sie letzte Woche aus dem Haus ließ, hat ihr Mobiltelefon geklingelt, und sie ist stehen geblieben, um das Gespräch anzunehmen. Ich konnte nicht anders, als sie zu belauschen. Es war ihre Mutter. Offenbar ist sie in einem Pflegeheim.«
»Ja, in Old Woods Manor oben in White Plains. Der Vater eines Freundes von mir war auch dort. Es ist einigermaßen erträglich dort, soweit man das überhaupt von einem Pflegeheim sagen kann.«
»Ich hörte, wie Miss Johnsons Mutter sich beklagte, sie fühle sich sehr niedergeschlagen«, fuhr Carlo fort. »Hoffentlich hat die alte Dame noch jemanden, der sie besucht, jetzt, da Miss Johnson ja tot ist.«
Nel duschte und zog Hosen und eine Jeansjacke an. Eine Stunde später fuhr sie mit dem Aufzug hinunter in die Tiefgarage und stieg ins Auto. Sie schämte sich, denn sie hatte die ganze Woche über
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