Vergiss die Toten nicht
nicht leicht für sie sein, die Wähler zurückzugewinnen, die sich enttäuscht von ihm abgewendet haben.
Nel MacDermott ist aus dem richtigen Holz geschnitzt. Wie ihr Großvater weiß sie sich in der Politik zu behaupten.
Außerdem ist sie so klug einzusehen, dass ich viel zu ihrem Wahlsieg beitragen könnte. Für sie wäre es nur von Vorteil, wenn ich auf ihrer Seite stehe. Zum Beispiel wäre ich ihr sicher eine Hilfe, wenn die Gerichte anfangen, Adams Geschäftsgebaren unter die Lupe zu nehmen. Sie wird mich förmlich anflehen, für Adams guten Ruf zu bürgen.
Peter Lang ließ sein Badehandtuch fallen, stürmte mit großen, entschlossenen Schritten durch die Wel en und warf sich in den Atlantik.
Das Wasser war eiskalt, doch nach ein paar Metern hatte er sich daran gewöhnt. Mit eleganten Zügen schwamm er weiter und dachte daran, wie knapp er seine Verabredung mit dem Tod verpasst hatte. Er fragte sich, ob Adam Cauliff wohl noch etwas gespürt hatte, als die Jacht explodierte und das Wasser über ihm zusammenschlug.
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B
onnie Wilson hatte Gerti gebeten, sie sofort anzurufen, falls Nell MacDermott sich entscheiden sollte, ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie war sich darüber im Klaren, dass Nell vermutlich mit sich rang, ob sie sie aufsuchen sollte. Schließlich war sie eine beliebte Zeitungskolumnistin und in der Öffentlichkeit bekannt.
Wenn sie sich nun an eine Hellseherin wandte, konnte ihr das durchaus unerwünschte Publicity einbringen. Außerdem hieß es, sie werde möglicherweise für den Kongress kandidieren. Und da die Presse immer auf Mittel und Wege sann, einen Kandidaten in den Schmutz zu ziehen, würde man ihr vielleicht einen Strick daraus drehen, wenn sie eine prominente Hellseherin wie Bonnie konsultierte.
Die Medien hatten Hillary Clinton verspottet, als diese angeblich versucht hatte, mithilfe eines Mediums Kontakt zu Eleanor Roosevelt aufzunehmen. Und auch Nancy Reagan war lange Zeit durch den Kakao gezogen worden, weil sie sich an die Ratschläge einer Astrologin hielt.
Doch dann, am Sonntagabend um zehn, erhielt Bonnie den erhofften Anruf von Gerti MacDermott. »Nell würde sich gerne mit Ihnen treffen«, sagte Gerti mit gedämpfter Stimme.
»Da stimmt doch etwas nicht, Gerti. Man braucht keine Hellseherin zu sein, um Ihnen anzuhören, dass Sie etwas bedrückt.«
»Oh, ich fürchte, mein Bruder ist schrecklich böse auf mich.
Heute Abend hat er Nell und mich zum Essen eingeladen. Ich habe mich verplappert und erzählt, ich hätte mit Ihnen gesprochen. Außerdem habe ich ein paar der Dinge wiederholt, die ich von Ihnen habe. Er ist furchtbar wütend geworden und hat den Fehler begangen, Nell den Besuch bei Ihnen zu verbieten.«
»Und das hat natürlich zur Folge, dass sie mich jetzt sehen will.«
»Möglicherweise hätte sie es ohnehin getan«, erwiderte Gerti.
»Obwohl ich glaube, dass sie in dieser Sache zwiegespalten ist.
Doch nun ist sie fest entschlossen, Sie zu besuchen, und zwar so bald wie möglich.«
»Sehr gut, Gerti. Dann richten Sie ihr aus, morgen um drei würde mir passen.«
Montag, 19. Juni
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W
ie immer am Montag war der Schönheitssalon geschlossen. In gewisser Weise war Lisa dankbar für den zusätzlichen freien Tag, denn so hatte sie mehr Zeit, sich innerlich auf den Kontakt mit der Außenwelt vorzubereiten. Andererseits aber hätte sie die ersten Arbeitstage am liebsten schon hinter sich gehabt. Denn ihr graute vor der Begegnung mit ihren Stammkundinnen, die ihr zuerst kondolieren und sie dann nach den Einzelheiten der Explosion ausfragen würden, bei der Jimmy sein Leben verloren hatte.
Viele von ihnen waren ins Beerdigungsinstitut gekommen.
Andere hatten Blumen oder Beileidskarten geschickt.
Lisa wusste, dass sich nach dem ersten Schock bei ihren Mitmenschen – wenn auch nicht bei ihr – der Alltag wieder eingestellt hatte. Inzwischen dachten ihre Kundinnen vermutlich kaum noch an ihren schweren Verlust. Vielleicht würden einige von ihnen noch eine Weile erleichtert aufatmen, wenn sie abends den Wagen ihres Mannes in der Auffahrt hörten, doch auch das würde sich bald legen. Sie hatten zwar aufrichtiges Mitleid mit ihr, waren aber gleichzeitig froh, dass sie nicht selbst Opfer eines Schicksalsschlages geworden waren.
Lisa hatte genauso empfunden, als der Mann einer ihrer Kundinnen vor einem Jahr bei einem Verkehrsunfall gestorben war.
Damals hatte sie mit Jimmy darüber gesprochen. Seine Antwort werde ich nie vergessen, dachte sie: »Lisa,
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