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Vergiss die Toten nicht

Vergiss die Toten nicht

Titel: Vergiss die Toten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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gewesen wäre. Traurig dachte sie daran, dass sie ihm immer gesagt hatte, sie wolle Innenarchitektur studieren, wenn die Kinder erst einmal aus dem Haus waren. Doch das kam nun nicht mehr infrage.
    »Sie haben eine schöne Wohnung«, sagte sie leise und betrachtete die zusammengewürfelten, aber dennoch zueinander passenden Möbel.
    »Danke. Ich fühle mich sehr wohl hier«, erwiderte Nell ein wenig wehmütig. »Meine Eltern sind viel gereist. Sie waren Anthropologen. Aus der ganzen Welt haben sie ungewöhnliche Stücke mitgebracht. Wenn man dazu noch ein paar bequeme Sofas und Sessel anschafft, ist die Wirkung phänomenal. In der letzten Woche hat mir diese Wohnung sehr viel Geborgenheit vermittelt.«
    Während des Gesprächs musterte Nell MacDermott ihre Besucherin. Auch das Make-up konnte Lisa Ryans geschwollene Augen nicht verbergen, und ihre Haut war fleckig vom Weinen.
    Nel hatte den Eindruck, dass ihr Gast schon beim kleinsten Wort in Tränen ausbrechen würde.
    »Ich habe gerade Kaffee aufgesetzt«, sagte sie. »Möchten Sie auch eine Tasse?«
    Kurz darauf saßen sie sich am Küchentisch gegenüber. Lisa wusste, dass sie den Anfang machen musste. Schließlich habe ich um diesen Termin gebeten, dachte sie. Also liegt der erste Schritt bei mir. Aber wie soll ich beginnen?
    Sie holte tief Luft. »Nel , mein Mann war fast zwei Jahre lang arbeitslos. Er hat sich bei der Firma Ihres Mannes beworben, und aus heiterem Himmel wurde er von Sam Krause, dessen Geschäftspartner, eingestellt.«
    »Ich glaube, Krause war eher ein Geschäftsfreund als ein richtiger Partner«, erwiderte Nel . »Adam hat mit verschiedenen Leuten an Projekten gearbeitet, doch er betrachtete sie eigentlich nicht als vollwertige Teilhaber. Bei Walters und Arsdale war Adam
    der
    verantwortliche
    Architekt
    bei
    einigen
    Gebäudesanierungen. Sam Krauses Firma führte die Bauarbeiten aus. Dann eröffnete Adam sein eigenes Architekturbüro und wollte mit Krause ins Vandermeer-Projekt einsteigen.«
    »Ich weiß. Jimmy war in der letzten Zeit mit der Sanierung alter Mietshäuser beschäftigt. Aber er hat mir erzählt, er würde bald bei einem wirklich wichtigen Auftrag eingesetzt werden; man wollte einen neuen Wolkenkratzer bauen, und er sollte Polier werden.«
    Lisa hielt inne. »Nell«, sagte sie; dann erstarb ihre Stimme.
    »Nell, Jimmy hat damals seinen Job verloren, weil er ein ehrlicher Mensch war«, sprach sie nach einer Weile hastig weiter. »Er hat sich darüber beschwert, dass seine Baukolonne minderwertige Materialien verwendete. Deshalb wurde er auf eine schwarze Liste gesetzt und war lange arbeitslos. Als der Anruf kam, und man ihm eine Stelle bei Sam Krause anbot, war er so glücklich, wieder einen Job zu haben. Rückblickend betrachtet ist mir jedoch inzwischen klar, dass irgendetwas vorgefallen sein muss.
    Ich habe Jimmy sehr geliebt, und ich kannte ihn gut. Deshalb ist es mir sofort aufgefallen: Jimmy veränderte sich, und zwar praktisch über Nacht.«
    »Was meinen Sie mit ›verändern‹?«, fragte Nell leise.
    »Er konnte nicht schlafen. Er hatte keinen Appetit mehr. Und er wirkte ständig geistesabwesend.«
    »Was könnte Ihrer Ansicht nach der Grund gewesen sein?«
    Lisa Ryan stellte die Tasse ab und blickte Nell ins Gesicht.
    »Ich glaube, man hat Jimmy gezwungen, Missstände auf der Baustelle zu übersehen. Freiwillig hätte er sich nie in solche Machenschaften verwickeln lassen, doch inzwischen war er so mutlos, dass er vermutlich den Mund gehalten hat, um seinen Job nicht zu gefährden. Natürlich war das eine falsche Entscheidung, vor allem für einen Menschen wie ihn. Jimmy war von Grund auf ehrlich und konnte mit diesem Wissen nicht leben. Ich bin sicher, dass es so gewesen ist. Und es brachte ihn um den Verstand.«
    »Hat Jimmy mit Ihnen darüber gesprochen, Lisa?«
    »Nein«, entgegnete Lisa zögernd. Als sie fortfuhr, überstürzten sich ihre Worte. »Nell, Sie sind zwar eine Fremde für mich, aber ich muss mich jemandem anvertrauen. Ich habe, versteckt in Jimmys Werkstatt im Keller, Geld gefunden. Meiner Ansicht nach hat er es für sein Schweigen bekommen. Nach der Verpackung zu urteilen, hat er nie einen Cent davon angerührt.
    Doch das passte zu ihm. Er war absolut aufrichtig und hätte dieses Geld nie ausgeben können.«
    »Wie viel war es?«
    »Fünfzigtausend Dollar«, flüsterte Lisa.
    Fünfzigtausend Dollar! Offenbar war Jimmy Ryan einer großen Sache auf die Spur gekommen, dachte Nell. Wusste Adam davon oder

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