Vergiss die Toten nicht
meiner Eltern. Während des Studiums habe ich bei Mac gewohnt, doch nach dem Abschluss brauchte ich ein wenig mehr Freiheit. Mac hatte mich gebeten, sein New Yorker Büro zu leiten, und ich belegte Abendkurse in Jura an der Fordham Universität. Zuerst wollte Mac mir den Kauf der Wohnung ausreden, doch schließlich musste selbst er zugeben, dass ich ein Schnäppchen gemacht hatte.
»Vor elf Jahren also«, meinte Lang. »Damals waren die Immobilienpreise in New York im Keller. Die Wohnung ist inzwischen sicher dreimal so viel wert.«
»Ich habe nicht die Absicht, sie zu verkaufen.«
Lang bemerkte ihren kühlen Ton und schloss daraus, dass sie keine Lust hatte zu plaudern.
»Nell, Adam und ich waren gemeinsam an einem Projekt beteiligt«, begann er.
»Darüber bin ich im Bilde.«
Wie viel weiß sie?, fragte sich Lang und schwieg eine Weile.
Dann beschloss er, das Risiko einzugehen. »Wie Ihnen sicher bekannt ist, stammen die Entwürfe für den geplanten Wohnturm von Adam.«
»Ja, er war ganz begeistert von dem Vorhaben«, erwiderte Nel ruhig.
»Adams erste Entwürfe haben uns sehr gut gefallen. Er war ein kreativer und origineller Architekt. Wir vermissen ihn sehr. Doch da er nun nicht mehr bei uns ist, müssen wir leider wieder von vorne anfangen. Und ein anderer Architekt wird wahrscheinlich seine eigenen Vorstellungen haben.«
»Ich verstehe.«
Also hat Adam es ihr verheimlicht, dachte Lang triumphierend.
Er beobachtete sie, wie sie ihm mit gesenktem Kopf gegenübersaß. Vielleicht hatte er sich, was ihren feindseligen Ton anging, geirrt. Es konnte durchaus auch an ihren aufgewühlten Gefühlen liegen.
»Wie Ihnen sicher bekannt ist, hat Adam im letzten August einer gewissen Mrs. Kaplan für eine knappe Million ein Haus in der Innenstadt abgekauft. Das Grundstück grenzt an das Bauland, das ich inzwischen erworben habe, und er wollte es in unser Bauvorhaben einbringen. Letzte Woche wurde der Wert des Grundstücks auf achthunderttausend Dollar geschätzt, doch ich bin bereit, Ihnen drei Millionen Dollar dafür zu geben. Sie müssen gestehen, dass das in nur zehn Monaten eine hübsche Rendite ist.«
Nel betrachtete ihren Besucher, der ihr gegenübersaß.
»Warum wollen Sie einen so hohen Preis bezahlen?«, fragte sie.
»Weil wir das Grundstück brauchen, um unser Bauvorhaben in großzügigem Rahmen durchzuführen. Auf diese Weise haben wir Platz für ein paar dekorative Extras wie eine geschwungene Auffahrt und eine elegante Gartenanlage, die den Wert unseres Gebäudes steigern werden. Ich muss hinzufügen, dass unser Gebäude Ihr Haus, sofern Sie es behalten wollen, derart überragen wird, dass es vermutlich einen Teil seines Wertes verliert.«
Du lügst, dachte Nel . Sie erinnerte sich an Adams Worte, Lang könne ohne das Grundstück der Kaplans seinen Wolkenkratzer nicht wie geplant bauen. »Ich werde es mir überlegen«, sagte sie lächelnd.
Lang lächelte ebenfalls. »Natürlich habe ich Verständnis dafür.
Sie wollen es sicher mit Ihrem Großvater besprechen.« Er hielt inne und fügte dann hinzu: »Nell, wahrscheinlich geht es mich nichts an, aber ich würde mich freuen, wenn wir Freunde werden könnten und wenn Sie mir vertrauen würden. Gewiss ist Ihnen klar, dass in der Stadt einige Gerüchte über Sie im Umlauf sind.«
»Ach ja? Was für Gerüchte?
»Es heißt – und ich hoffe, es stimmt –, dass Sie für den Kongress kandidieren wollen, und zwar für den ehemaligen Sitz Ihres Großvaters.«
Nel stand auf. Offenbar hielt sie das Gespräch für beendet.
»Über Gerüchte unterhalte ich mich nicht, Peter«, sagte sie. Ihrer Miene war nichts zu entnehmen.
»Offenbar heißt das, dass Sie den Zeitpunkt, um Ihre Kandidatur öffentlich zu machen, selbst bestimmen wollen.«
Lang verstand den Wink und erhob sich ebenfalls. Nel konnte nicht verhindern, dass er ihre Hand ergriff. »Nell, ich wollte nur sagen, dass ich voll und ganz hinter Ihnen stehe.«
»Vielen Dank«, erwiderte sie und zog die Hand zurück. Und du bist so diskret wie ein Vorschlaghammer, dachte sie.
Kaum hatte sich die Tür hinter Lang geschlossen, als schon das Telefon läutete. Detective Jack Sclafani verlangte, dass Nell ihm und seinem Partner Detective Brennan Zutritt zu Adams Büro gewährte und sie den Inhalt von Winifred Johnsons Schreibtisch und Aktenschrank durchsuchen ließ.
»Wir könnten uns auch einen Durchsuchungsbefehl besorgen«, erklärte Sclafani. »Aber so sparen wir uns den Papierkrieg.«
»Kein
Weitere Kostenlose Bücher