Vergiss mein nicht
gereizt wegen ihrer Unterstellung. » Ich sage dir nur, welche Geisteshaltung dahintersteht.«
» Die Geisteshaltung ist ziemlich pervers.«
» Der Meinung bin ich auch«, sagte Jeffrey. » Aber man darf nicht zulassen, dass die eigene Abscheu das Vorgehen bestimmt, Lena. Wenn Mark die Tätowierung trägt, weil er pädophil ist oder ein Kinderschänder, darf man sich nicht anmerken lassen, wie widerlich man das findet. Sonst wird er niemals offen sprechen.« Und weil er ihr dieses Prinzip schon einmal ans Herz gelegt hatte, fügte er hinzu: » Das weißt du doch.«
» Und«, sagte Lena, » zu welcher Kategorie gehört er? Er ist doch kaum älter als Lacey.«
» Mindestens drei Jahre.«
» Das ist doch kein so großer Unterschied.«
» Vielleicht zwischen dreißig und dreiunddreißig nicht, aber wenn man sich klarmacht, dass es noch Jugendliche sind, ist es ein ziemlicher Sprung. Nämlich der Unterschied zwischen Kind und jungem Erwachsenen.«
Sie schwieg und schien darüber nachzudenken.
Jeffrey sagte: » Sieh das doch mal so: Ein Pädophiler fühlt sich wohl unter Kindern, weil er Angst vor Beziehungen mit Erwachsenen hat. Erwachsene flößen ihm Angst ein.«
» Was ist mit Jenny? Wieso wurde sie derartig zugenäht? Was steckt dahinter?«
» Das weiß ich nicht«, sagte Jeffrey. » Vielleicht hilft uns Mark weiter.«
» Der redet nicht«, sagte Lena wieder. » Frank war bei ihm, und Mark hat einfach nur ins Leere gestarrt.«
» Ist er denn high?«
Sie schüttelte den Kopf. » War er mal, aber inzwischen ist die Wirkung vorbei.«
» Braucht er eine neue Dröhnung?«
» Ich glaube nicht«, sagte sie. » Er zittert nicht, wenn du das meinst.«
» Und wie geht es ihm sonst? Sara meinte, es sähe so aus, als hätte ihn jemand in die Mangel genommen.«
» Stimmt«, sagte Lena. Sie zog ein paar Polaroids aus ihrer Brusttasche. » Wir haben ihn fotografiert, um seinen Zustand zu dokumentieren. Dr. Linton hat gesagt, die Schnittwunde auf dem Bauch muss ihm wohl mit einem scharfen Messer zugefügt worden sein. Sie war aber nicht so tief, dass sie genäht werden musste. Ein blaues Auge hat er auch.«
Jeffrey sah sich die Bilder einzeln an. Mark starrte mit toten Augen in die Kamera. Auf einem Foto war er mit nacktem Oberkörper zu sehen, und man konnte Grasflecken am Bund seiner Jeans erkennen sowie leichte Kratzer auf seinem Bauch.
» Dafür sind wir aber nicht verantwortlich, oder?«, fragte Jeffrey sicherheitshalber.
» Natürlich nicht«, schnauzte Lena, was seltsam war, denn er hatte dieselbe Frage schon bei anderen Fällen gestellt und stets eine klare Antwort ohne einen derartigen Gefühlsausbruch bekommen. Sie legte noch nach: » Frag doch deine Freundin. Die hat ihn noch vor mir gesehen.«
» Hat ihn jemand verfolgt?«, fragte Jeffrey weiter. » Oder war er hinter jemandem her?«
» Eins von beidem«, sagte sie. » Er hat auch Verletzungen von einem Handgemenge an beiden Armen.«
Jeffrey dachte an Arthur Prynne, der sich mit den Armen geschützt hatte, damit Jeffrey ihm nicht ins Gesicht schlug.
Lena sagte: » Wir haben seine Kleidung einbehalten. Ich glaube, Dr. Linton will das Blut auf seinem Hemd auf eine DNA -Übereinstimmung prüfen.«
» Hast du ihn zu seiner Schwester befragt?«
» Wenn er sich Sorgen um sie macht, zeigt er es jedenfalls nicht. Und wie ich schon sagte, er äußert sich zu nichts.«
Jeffreys Telefon piepte, und er nahm das Gespräch an.
Marla sagte: » Pastor Fine ist da, um mit Mark zu sprechen.«
Jeffrey und Lena tauschten Blicke. » In welcher Funktion?«
» Er sagt, Marks Eltern hätten ihn gebeten, während des Verhörs als ihr Stellvertreter anwesend zu sein.« Marla senkte die Stimme. » Buddy Conford ist auch da.«
» Danke«, sagte Jeffrey und drückte wieder auf den Knopf. Er lehnte sich zurück und schaute Lena durchdringend an.
Schließlich sagte sie: » Was?«
» Du hast diesen merkwürdigen Draht zu Mark. Ich weiß nicht genau, was es damit auf sich hat, aber du musst jetzt sehr vorsichtig sein.«
» Ich habe keinen Draht zu ihm«, entgegnete Lena schroff, offenbar war ihr nicht wohl bei dem Gedanken.
» Vielleicht überträgt er gewisse Gefühle auf dich, weil seine Mutter so krank ist.«
Lenas gleichgültiges Achselzucken wirkte wenig überzeugend. » Was auch immer«, sagte sie. » Können wir es bitte hinter uns bringen?«
Buddy Conford hatte ein höllisch schweres Leben hinter sich. Mit siebzehn Jahren hatte er durch einen Autounfall seinen
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