Vergissmichnicht
dass der Mord an ihr aufgeklärt wird. Der Mord an ihr und der an Carlo. Ich habe viel zu lange geschwiegen. Deshalb musste nun auch meine Mutter sterben. Diesen Fehler werde ich nicht noch einmal machen.«
»Erzählen Sie mir alles«, forderte Ole sie auf. »Nur dann kann ich Ihnen helfen.«
»Gleich«, sagte Marlene. »Aber bitte beantworten Sie mir zunächst noch eine Frage: Sind Sie sicher, dass Beate Gruber Carlo Baders Verlobte war?«
Ole nickte, dann fiel ihm ein, dass sie das in der Dunkelheit ja nicht sehen konnte. »Absolut sicher«, bekräftigte er deshalb.
»Und noch eine Frage. Beate Grubers Mann heißt mit Vornamen nicht zufällig Wolfgang?«
»Doch«, erwiderte Ole überrascht. Woher wissen Sie das?«
Marlenes Stimme war pure Bitterkeit, als sie antwortete: »Es ist absurd. Es ist vollkommen absurd. Geben Sie mir Ihre Hände. Ich muss mit den Fesseln weitermachen. Und währenddessen erzähle ich Ihnen alles.«
Einunddreißigstes Kapitel
Überlingen
Alexandra starrte schon zum zehnten Mal an diesem Tag auf ihr Handy. Eine seltsame, nagende Unruhe hatte sich ihrer bemächtigt. Dass Ole so gar kein Lebenszeichen von sich gab, nach dieser wundervollen Nacht … Sie lächelte in der Erinnerung an seine Zärtlichkeit und seine Leidenschaft.
»Hey, nicht träumen. Arbeiten«, rief ihr Manfred Meinwald, der sich gerade einen Kaffee geholt hatte, zu. »Dich hat’s ganz schön erwischt, hm?«, fragte er grinsend.
»Warum kennst du mich nur so gut?«, fragte Alexandra zurück.
»Weil ich dein Chef bin«, grinste Manfred. »Und deshalb weiß ich auch, wer’s ist.«
Alexandra blickte ihn abwartend an.
»Der Polizist, stimmt’s?«
»Ja.« Ihre Hände suchten und fanden einen Zettel, den sie eifrig und unablässig falten und wieder entfalten konnten. Sie traute sich nicht, ihren Chef anzusehen. »Ich weiß, ich hätte dir das schon vorher sagen sollen. Wegen des Artikels, der heute im Blatt war. Ich weiß, ich bin ja nun eigentlich befangen und darf nicht mehr berichten. Aber ich dachte, in dem Fall bin ich ohnehin befangen, und du wolltest den Artikel doch so gerne, das wollte ich dir nicht verderben.«
»Langsam, langsam, Alexandra«, sagte Manfred, ließ sich auf dem Besucherstuhl neben ihrem Schreibtisch nieder, stellte seine Kaffeetasse auf ihre vollgekritzelte Schreibtischunterlage aus Papier und nahm ihr den Zettel aus der Hand, den sie inzwischen bestimmt ein Dutzend Mal gefaltet und wieder entfaltet hatte. »Schau mich mal an, bitte«, bat er.
Alexandra hob den Blick.
»Jetzt hör mir mal zu«, setzte Manfred an. »Du brauchst überhaupt nicht so verlegen zu sein. Du bist mein bestes Pferd im Stall. Wenn jemand in der Lage ist, einzuschätzen, ob er befangen ist oder nicht, dann bist du das.« Manfred machte eine kurze Pause und rührte nachdenklich in seinem Kaffee. »Das kannst du wahrscheinlich sogar besser als ich. Und wie du schon richtig sagst: In dem Artikel, der heute im Blatt ist, ging es ohnehin um eine ungewöhnlich subjektive Art der Berichterstattung. Um eine Reportage, die in der Ich-Form geschrieben wurde. Also, alles gut.«
»Nein, es ist nicht alles gut«, sagte Alexandra.
»Wie meinst du das?«
»Ich mache mir Sorgen. Ole hat mir gestern etwas erzählt, das im Zusammenhang mit dem Mordfall steht und äußerst merkwürdig ist. Ich darf es dir aber noch nicht sagen, es ist nicht öffentlich«, fügte sie rasch hinzu.
Meinwald nickte. »Du kennst meine Devise: So oft es geht, etwas fürs Blatt aus einer Information rausholen, aber niemals Vertrauen missbrauchen. Selbst wenn Ole nicht mit dir liiert wäre und dir etwas im Vertrauen sagen würde, dürftest du es nicht für die Zeitung ausschlachten.« Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee, verzog angewidert das Gesicht und stellte ihn wieder auf Alexandras Schreibtisch ab. »So etwas funktioniert – wenn überhaupt – nur in Großstädten. Hier in Überlingen und auch drüben in Konstanz geht das nur mit gegenseitigem Vertrauen. Was natürlich auf keinen Fall passieren darf, ist, dass wir uns vor lauter Vertrauen nicht mehr trauen, kritisch über unsere Informanten zu berichten.« Er lächelte über sein Wortspiel. »Aber du wirst es bereits gemerkt haben: Wer ein wirklicher Profi ist, weiß das und verhält sich auch entsprechend.«
Nach einem Blick auf Alexandras Gesicht stoppte er seinen Redeschwall. »Aber ich schwafle und schwafle. Was macht dir denn so große Sorgen? Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Ach,
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