Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll
durchdringend, dass Simba es nicht länger ignorieren konnte. Er drehte sich langsam zu dem Feuer um. Die Wölfin hatte sich nicht vom Fleck bewegt. Sie scharrte mit den Vorderpfoten immer wieder in der trockenen Erde nur ein Dutzend Schritte von der Hauswand entfernt. Ascheflocken umwirbelten ihren Körper. Die Hitze war selbst hier auf der Straße mehr als unangenehm, an Artemis’ Position musste sie dem Tier beinahe das Fell versengen. Warum stand sie noch immer dort?
„Crabb“, sagte Simba und fürchtete, seine heisere Stimme könnte ungehört im Prasseln des Feuers untergegangen sein. Er sah sich nach Crabb oder jemand anderem um, der ihm zu Hilfe kommen könnte. Zac und Neil halfen, Ace ins Haus zu tragen.
Trotz Reeses bittendem Blick blieb Simba zurück. Er stützte sich auf die Holzlatte und humpelte in Artemis’ Richtung. Knapp hinter ihr zwang ihn die Hitze zum Stehenbleiben. Crabb stand plötzlich neben ihm.
Wie hielt die Wölfin das nur aus? „Komm, Artemis“, sagte Simba, „wir können hier nichts mehr tun.“ Als Antwort erhielt er nur ein lang gezogenes Jaulen. Die Wölfin rastete beinahe aus, so wild scharrte und kratzte sie. Simba sah keinen Grund. Der Boden schien seit Monaten festgetreten, nichts sprach dafür, dass in jüngster Vergangenheit darin gegraben worden sein könnte. Graben? Grab? Eine furchtbare Panikwelle jagte ihm trotz der glühenden Hitze eiskalte Schauder über den Leib. Die meisten der traditionellen Wohnhäuser in den Dörfern hatten keine richtigen Keller, aber es gab zumeist unter den Küchen einen in den Lehm geschlagenen Raum, meist winzig klein oder nur als Kriechkeller begehbar, in dem sie ihre Lebensmittelvorräte lagerten. Manchmal auch für Tage ihre Toten. Ein Schrei bahnte sich aus seiner Kehle. Die Villa des Dorfältesten verfügte über keinen Keller im herkömmlichen Sinne, das hatten sie bei ihrem ersten Besuch überprüft. Aber gab es einen Kühlraum? Vielleicht ein Überbleibsel des alten Gebäudes, an dessen Stelle die Villa gebaut worden war?
„Fuck!“, brüllte er. „Ich brauche Hilfe. Bringt mir ein Türblatt!“
Crabb reagierte in Sekundenschnelle, jagte davon und kam mit einer im Nachbarhaus aus den Angeln gehobenen Zimmertür zurück. Simba humpelte ihm voran auf die Rückseite des Hauses, wo die Küche neben dem Wohnzimmer lag.
Flammen schlugen aus den Fenstern. Dichter Rauch quoll zum fast eingestürzten Dach hinaus. Unmöglich konnten sie in diese Hölle hinein – es wäre Selbstmord. Aber er musste, verdammt! Die Wölfin war ihm gefolgt und ihr Jaulen ließ nicht nach. Wenn doch nur Wade mitgekommen wäre und ihm verriete, was er roch. Eine weitere Leiche? Nani-jis Leiche?
Er bückte sich nach seinem zerfetzten T-Shirt, das noch auf dem Rasen lag. Trotz der Schmerzen sprang er mit einem Hechtsprung in den Pool und hievte sich triefend nass wieder hinaus. Den tropfenden Stoff zerriss er in zwei Teile und wikkelte die Fetzen um die Hände. „Her mit der Tür!“
Längst befand er sich nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen – nur ein Zwang tobte in seinem Schädel. Er musste in die Küche hinein und dort suchen, ob es einen Zugang zu einem Kühlkeller gab. Einen Herzschlag, bevor er losstürmte, bellte Artemis und ihre Laute gingen über in ein dunkles Knurren. Simba hielt inne und wandte sich um. Aus Richtung des verlassenen Hauses, von dem aus sie sich vorhin der Villa genähert hatten, kam eine dunkle Traube von Menschen langsam auf ihn und Crabb zu. Der hob sofort die Maschinenpistole, die Simba verloren haben musste, und zielte auf die Gruppe.
„Lass“, raunte Simba und drückte mit der Rechten den Lauf der Waffe nach unten. „Was wollt ihr?“ Er kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und musterte die alten Frauen und Männer. Die meisten kannte er von früher. Ihre Gesichter überzogen noch tiefere Furchen und Falten, aber etwas Weiteres hatte sich verändert. Er sah nicht die tief sitzende Panik in ihren Augen. Sie war einem Ausdruck von … Vorsicht gewichen. Verschüchterung, aber auch Beschämung.
Einer aus der Gruppe trat einen Schritt nach vorn. „Wir wollen helfen.“
Manche schoben die Arme aus ihren Rücken nach vorn. Sie hielten Eimer.
Plötzlich ging alles viel zu schnell. Simbas Groll erstickte im Keim. Die vielleicht zwanzig Personen schoben sich im Pulk auf den Swimmingpool zu, bildeten eine Kette und die Eimer wanderten von Hand zu Hand unter den gebeugten Rücken der Alten. Simba wartete
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