Verheißene Erde
Bord zu gehen; er konnte vom Kai aus hineinsehen, und dort saßen tatsächlich, an Bänke gekettet, ein Dutzend Männer verschiedenen Alters; sie taten nichts, bewegten sich kaum.
»Wer sind sie?« fragte er, und der Händler erklärte ihm, daß diese Männer halfen, das Schiff zu bewegen.
»Wie lange sitzen sie so?«
»Bis sie sterben«, sagte der Händler, und als Nxumalo zusammenzuckte, fügte er hinzu: »Sie wurden im Krieg gefangengenommen. Das ist ihr Schicksal.« Ihnen ging es ähnlich wie den kleinen braunen Männern, die in die
Bergwerke hinuntergeworfen wurden, um zu arbeiten, bis sie starben. Auch sie wurden im Krieg gefangengenommen, und das war ihr Schicksal. Wohin immer er in Sofala kam, sah er Dinge, die ihn verblüfften. Einen besonderen Zauber übten jedoch die Dhaus auf ihn aus. Es war ihm unbegreiflich, wie diese schwimmenden Häuser sich auf dem Meer bewegen konnten. Eines Nachmittags starrte er auf einen Dreimaster mit großen Segeln und sah zu seiner Freude, daß der weiße Mann, der ihn zu befehligen schien, derselbe Araber war, der in Zimbabwe Handel getrieben hatte. »Ho!« schrie er, und als sich der Araber langsam umdrehte, um zu sehen, wer ihn da störte, rief Nxumalo in der Zimbabwesprache: »Ich bin es. Der, dem du die Scheibe geschenkt hast.« Der Araber kam an die Reling, sah den jungen Schwarzen an und sagte schließlich: »Natürlich! Der Mann mit den Goldminen.«
Sie standen einige Stunden auf dem Kai, plauderten, und der Araber sagte: »Du solltest deine Waren zu meinem Bruder nach Kilwa bringen. Er würde sie richtig einschätzen.«
»Wo führt der Weg nach Kilwa?«
Der Araber lachte, es war das erste Mal, daß Nxumalo ihn lachen sah. »Es gibt keinen Weg. Er könnte die Flüsse und Sümpfe nicht überqueren. Zu Fuß würde man mehr als ein Jahr brauchen.«
»Warum sagst du mir dann, ich soll hingehen?«
»Man geht dorthin nicht auf einem Weg. Man segelt. mit einer Dhau.« Sofort erkannte Nxumalo das als List, um ihn zum Sklaven zu machen, wußte aber auch, daß es ihn schmerzhaft danach verlangte, zu erfahren, wie eine Dhau war, wo China lag und wer Seide webte. Und so suchte er nach einer Nacht voll qualvollen Überlegens den Araber auf und sagte einfach: »Ich werde alle meine Waren hier einlagern, zusammen mit meinen Leuten. Ich fahre mit dir nach Kilwa, und wenn dein Bruder mein Gold haben will.«
»Er wird begierig nach deinem Elfenbein sein.«
»Er kann es haben, wenn er mich hierher zurückbringt.« So wurde es abgemacht, aber als seine Leute von seinem Wagemut hörten, protestierten sie. Auch sie hatten die an Bänken angeketteten Sklaven gesehen, und sie sagten voraus, daß das auch sein Schicksal sein würde. Er aber glaubte dem arabischen Händler, denn er wollte unbedingt Kilwa sehen und die Kunst der Seefahrt kennenlernen.
Gegen Ende des Jahres 1458 ging er in Sofala an Bord der Dhau, um zu seiner elfhundert Meilen langen Reise nach Kilwa zu starten. Als die Lateinsegel gehißt waren und das Schiff vor dem Wind lief, lernte er das Gefühl der Freude kennen, das junge Menschen empfinden, wenn sie eine Seereise antreten. Das Schlingern der Dhau, die springenden Delphine, die im Kielwasser folgten, und die herrlichen Sonnenuntergänge hinter der Küste Afrikas begeisterten ihn. Als nach vielen Tagen die Seeleute riefen, »Kilwa, die goldene Moschee!«, lief er zum Bug, um den Ausblick auf diesen berühmten Hafen zu genießen, den Schiffe aus allen Städten der östlichen Welt anliefen.
Er war überwältigt vom Anblick der verschiedenen Fahrzeuge, die nach Kilwa kamen. Die turmhohen Masten und die verschiedenen Menschen, die sie erkletterten, faszinierten ihn. Er bemerkte, daß die Araber ebenso beeindruckt waren; und während die Dhau durch den Hafen glitt, auf der Suche nach einem Ankerplatz, wies der Händler auf die Küste, wo Steingebäude glänzten, und sagte tief bewegt: »Der Vater meines Ururgroßvaters. Damals lebten wir in Arabien, und er segelte mit seiner Handelsdhau nach Kilwa. An dieser Küste breitete er seine Waren aus. Welch wunderbare Perlen und Stoffe hatte er gebracht! Dann zog er sich mit all seinen Männern auf sein Boot zurück. Als die Küste von unseren Leuten geräumt war, kamen die schwarzhäutigen Händler, um die Waren anzusehen, und ließen nach einiger Zeit kleine Haufen von Gold und Elfenbein zurück. Dann zogen sie sich zurück, und mein Vater ging an Land, um das Angebot zu prüfen. War es zu wenig, kehrte er zurück auf
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