Verheißung Der Nacht
draußen auf, an dem Ausgang, von dem er glaubte, dass sie ihn zur Flucht benutzen würden.
Eines würde er wohl nicht tun - still sitzen, dort wo er sicher und trocken war. Er war wahrscheinlich überzeugt, den Zeitpunkt und den Ort so gewählt zu haben, dass sie kaum Chancen hatten, ihm zu entkommen, aber er musste bald handeln, in den nächsten Stunden. Das Gewitter würde sich irgendwann verzogen haben, die Menschen würden wieder aus ihren Häusern kommen, es würde hell werden. Das Fort lag zwar isoliert, aber auf der Straße in der Nähe würde es Verkehr geben, Menschen, die noch tiefer im Wildreservat lebten, würden zur Arbeit fahren. Er konnte es nicht riskieren, Aufsehen zu erregen.
Was würde Reid tun? Es würde ihm nichts nützen, im Haus zu bleiben, wie Cammie erkannte.
Er musste planen, unbemerkt aus dem Haus zu schlüpfen, um den Heckenschützen zu verfolgen. Das hieß, dass er die Sicherheitsvorkehrungen, wie zum Beispiel den Riegel vor der Tür und die Läden vor den Fenstern, ihretwegen getroffen hatte. Er würde sie hier im Haus eingesperrt zurücklassen.
Noch während sie im Flur stand und nachdachte, begriff sie plötzlich, was er in seinem Büro machte. Der Gegenstand, den er aus der Tasche mit dem Reißverschluss geholt hatte, war eines dieser tragbaren Telefone. Zu der Ausstattung in seinem Büro gehörte unter anderem auch der Computer auf dem Schreibtisch. Zweifellos besaß dieser eine batteriebetriebene Stromversorgung, damit er auch während eines Stromausfalles einsatzfähig war. Das Telefon konnte durch ein Modem mit dem Computer von Charles Meyer in New York verbunden werden und so die Verbindung herstellen, um das Signal durchzugeben, von dem Michelle Meyer ihr erzählt hatte.
Reid traf also letzte Sicherheitsvorkehrungen, ehe er sie allein im Haus zurückließ. Sobald er damit fertig war, würde er in der Dunkelheit der Nacht verschwinden. Deshalb hatte es ihn auch nicht gestört, dass sie ihn für einen Augenblick allein gelassen hatte: Er hatte gewusst , dass sie das Telefon nicht benutzen konnte, und er hatte auch nicht gewollt, dass sie sah, was er tat.
Cammie wirbelte herum und lief in sein Büro zurück. Sie hörte das Summen des Computers, noch ehe sie an der Tür war. Er stand auf dem Schreibtisch, die Nachricht leuchtete neonblau und weiß auf dem Bildschirm, während die Anzei gelämpchen an dem Telefon blinkten und bestätigten, dass die Verbindung hergestellt war. Reid stand vor dem Waffenschrank am anderen Ende des Zimmers und lud sorgfältig ein großkalibriges Gewehr mit einem Restlichtverstärker.
»Warum?« fragte sie. »Was macht es denn für einen Unterschied, ob du das Signal durchgibst oder ob ich Bud anrufe?«
»Zwei Dinge«, erklärte er angespannt. »Zunächst einmal verschafft es mir zusätzliche zehn Minuten, wenn Charles diesen Anruf macht, und die brauche ich, um den Heckenschützen aufzuspüren. Und zweitens wird er einen wesentlich umfangreicheren Polizeischutz erreichen, als Bud ihn uns bieten könnte, nur für den Fall.«
»Für den Fall, dass du es nicht schaffst? Oder für den Fall, dass es Bud selbst ist, der dort draußen wartet?«
Sein Ausdruck war grimmig, als er sie in dem schwachen Licht des Computerbildschirms ansah. »Für den Fall, dass es nötig ist, Punkt. Ich ziehe es vor, mich gegen alle Eventualitäten abzusichern.«
Er war fertig mit dem Laden des Gewehrs. Er zog den Reißverschluss seiner dunklen, eng anliegenden Jacke zu und schob einige Dosen mit zusätzlicher Munition in seine Tasche. Er war beinahe fertig. Seine Haltung drückte eine gewisse Distanz aus. Auf eine eigenartige Weise war er nicht nur bereit, sie zu verlassen, es war, als sei er schon gegangen.
Während sie ihn beobachtete, ging er noch einmal zu dem Waffenschrank zurück und holte eine kleine, kompakte Pistole vom obersten Regal. Er kam zum Schreibtisch zurück und legte sie auf die polierte Oberfläche.
Ohne jegliche Gefühlsregung wandte er sich zu ihr. »Die ist für dich«, meinte er. »Sie ist nicht sehr groß, und du musst den Hahn zurückziehen, um damit zu schießen, aber sie ist mit .22er Hohlmunition geladen, die einen Mann garantiert aufhalten wird. Wenn du dich entscheidest, sie zu benutzen, dann mach keinen Fehler, indem du über das Ziel hinwegschießt oder auf den Boden hältst. Ziel auf den K örper und drück ab, um zu töten.«
»Du glaubst doch sicher nicht ...«
»Ich weiß es nicht«, unterbrach er sie hart. »Stell keine Fragen,
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