Verheißung Der Nacht
aber es tut mir sehr leid.«
Ihr Vater war ein Jahr nach Cammies Hochzeit bei einem Frontalzusammenstoß mit einem Lastwagen umgekommen. Ihre Mutter, die schon damals unter Brustkrebs litt, hatte ganz einfach aufgehört, gegen die Krankheit anzukämpfen, und war kurz darauf gestorben. Cammie dankte mit einer leisen Neigung des Kopfes für sein Mitgefühl, dann sprach sie weiter. »Nun, unser gemeinsamer Besitz besteht aus unseren beiden Autos und dem Silber und dem Porzellan, das wir zur Hochzeit geschenkt bekommen haben.«
»Ich weiß, dass sein Anteil an der Papierfabrik unter einer Verfügungsbeschränkung steht, er kann also nicht an die Mittel heran, aber er bekommt ein sehr gutes Gehalt. Kann er denn so schlecht mit Geld umgehen?«
Reid wartete angespannt auf ihre Antwort auf diese sehr persönliche Frage. Aber er hatte sicher ein Recht, ihr diese Frage zu stellen. Ein stellvertretender Direktor, der seine privaten Geschäfte nicht im Griff hatte, war wohl kaum der geeignete Mann, um die Finanzen einer Firma wie die der Sayers-Hut- ton Tüten- und Papierfabrik zu überwachen. Dennoch fand Cammie es falsch, ihm ausführlich über Reiths finanzielle Gewohnheiten zu berichten.
Nach einem kurzen Zögern sagte sie nur: »Man könnte sagen, dass Keith das gute Leben zu schätzen weiß.«
Ein kleines Lächeln umspielte Reids Mundwinkel. »Ich hatte schon beinahe vergessen, dass es eine solche Diskretion überhaupt noch gibt. Ich nehme an, deine Mutter hat dir beigebracht, dass es unhöflich ist, über Geldprobleme zu sprechen.«
»So könnte man es sagen.«
»Du musst wirklich die perfekte Ehefrau gewesen sein. Keith ist ein Idiot.«
Sie wandte sich ab und ging zu ihrer Staffelei hinüber, auf der ein halbfertiges Bild einer lila Schwertlilie stand. Sie legte den Revolver auf einen Tisch in der Nähe und berührte dann das seidige Papier, um zu fühlen, ob die Farbe schon getrocknet war.
Über ihre Schulter hinweg sagte sie: »Ich habe versucht, perfekt zu sein. Ich habe Unterricht im Kochen von Feinschmeckermenüs genommen, habe Kochbücher studiert und Einrichtungsbroschüren. Ich habe gelernt, Tischdekorationen zu machen und eine gute Gastgeberin zu sein. Ich bin in all die richtigen Clubs eingetreten und habe in den Gruppen mitgearbeitet, die sich darum kümmern, unser gemeinsames Leben zu verbessern. Ich habe Sport getrieben und mich richtig ernährt, um meine gute Figur zu behalten, ich habe Stunden damit verbracht, meine Haut, mein Haar und meine Fingernägel zu pflegen. Ich habe viel gelesen, um meine Allgemeinbildung zu erweitern, ich bin sogar in eine andere Stadt gefahren, um mir dort Schriften über Sexualität zu besorgen, um herauszufinden, was mit unserem Liebesleben nicht stimmte. Ich habe alle Artikel in allen Zeitschriften gelesen, in denen stand, ich müsse endlos verständnisvoll sein, nie über meine eigenen Probleme oder Schmerzen reden, doch meinen Mann dazu ermutigen, mir seine Probleme anzuvertrauen. Und weißt du, was passiert ist?«
»Ich kann es mir denken«, meinte Reid. »Keith wusste es nicht zu schätzen.«
Sie wandte sich zu ihm um und sah ihn an, ihre Augen waren ganz dunkel. »Er hat das als selbstverständlich hingenommen. Er war der Ansicht, dass es meine Pflicht war, all diese Dinge zu tun. Seiner Meinung nach hatte er nichts anderes als Perfektion verdient.«
»Und jetzt ist er also davon überzeugt, du hättest kein Recht, ihm seine perfekte Welt zu verweigern, nachdem er sich entschieden hat, dass er sie zurückhaben will.«
»Für ihn ist es viel mehr eine Frage des Stolzes. Er glaubt, wenn er mich anruft und mich bittet und anfleht, wenn er mich verfolgt und mir das Leben zur Hölle macht, dann müßte ich glauben, dass er mich wirklich liebt, und müßte nachgeben. Doch er irrt sich. Die Wartefrist von sechs Monaten, ehe die Scheidung rechtskräftig wird, ist bald vorüber. Wenn sich dann an den Umständen nichts geändert hat, wenn es keine Versöhnung gegeben hat und wir auch nicht mehr zusammengelebt haben, dann wird die Scheidung sofort für rechtskräftig erklärt werden.«
»Und du glaubst also, er gerät langsam in Panik?«
Sie war dankbar, dass Reid ihr die Worte aus dem Mund genommen hatte. »Ich würde ihn gern davon überzeugen, dass seine Bemühungen keinen Zweck mehr haben«, meinte sie. »Ich werde nie wieder zu ihm zurückgehen.«
»Und dabei soll ich dir helfen?«
»Wenn es dir nichts ausmacht.«
Als ihre Blicke sich trafen, dachte Cammie
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