Verheißung Der Nacht
betreibt.«
»Richtig.« Evie seufzte. »Genau das denke ich auch.«
Jede weitere Antwort, die Cammie vielleicht noch eingefallen wäre, wurde durch ein schrilles Läuten zunichte gemacht, das durch das ganze Haus tönte. Es war die antike Türglocke über der Haustür, die diesen Ton hervorgebracht hatte.
»Sie bekommen Besuch«, sagte Evie, und ihre Augen waren ganz groß, als sie den Stuhl zurückschob und aufstand. »Ich gehe besser.«
»Das ist wirklich nicht nötig.« Cammie stand auf, doch sie blieb stehen, weil sie gesehen hatte, dass Persephone durch den Flur zur Haustür ging.
»Es könnte vielleicht Keith sein, und ich möchte nicht, dass er herausfindet, dass ich mit Ihnen gesprochen habe.«
»Ich nehme an, es ist mein Onkel, er ist der einzige Mensch, der durch die Haustür kommt«, meinte Cammie, und als sie Evies fragenden Blick sah, erklärte sie: »Reverend Jack Taggart. Es ist unter seiner Würde als ein Mann der Kirche, die Hintertür zu benutzen wie alle anderen.«
Evie ging langsam zum Flur. »Dann werde ich Ihnen nur im Weg sein. Ich werde durch die Hintertür hinausschlüpfen ...«
Doch dazu war es schon zu spät. Man hörte schwere Schritte, dann erschien die große Gestalt von Cammies Onkel an der Türschwelle zur Küche. Er lächelte salbungsvoll und begrüßte Cammie dann herzlich, ehe er der anderen jungen Frau einen Blick zuwarf.
»Evie«, begann Cammie automatisch, »das ist ...«
»Nicht nötig«, unterbrach der Reverend sie und ging mit ausgestreckter Hand auf die junge Frau zu. »Ich dachte mir, dass das dein Wagen war, den ich in der Einfahrt gesehen habe, Evie. Wir haben dich in der Kirche vermißt, ganz besonders im Chor.«
»Ja, nun ja, ich hatte viel zu tun«, wich die junge Frau ihm mit einem verlegenen Gesichtsausdruck aus.
»Das ist keine Entschuldigung, das weißt du.« Der Reverend betrachtete Evie von Kopf bis Fuß, sein Blick ruhte länger als nötig auf ihrem gewölbten Leib, dann ließ er ihre Hand los und trat einen Schritt zurück. »Wir würden uns freuen, dich wieder bei uns begrüßen zu können.«
»Irgendwann vielleicht«, wich Evie ihm aus. »Jetzt muss ich mich aber beeilen.« Sie wandte sich so schnell um, dass ihr blondes Haar ihr ins Gesicht wehte, dann ging sie zur Tür. Der Reverend musste einen Schritt zur Seite treten, damit sie nicht mit ihm zusammenstieß.
Cammie schob sich an ihrem Onkel vorbei und folgte Evie durch die Hintertür bis auf die Veranda. »Ich wünschte, ich hätte Ihnen weiterhelfen können«, sagte sie leise.
»Ach, das macht nichts«, antwortete Evie gepreßt. »Ich hätte gar nicht kommen sollen. Ich wusste , es war ein Fehler, aber ich dachte ... nun ja. Es tut mir leid, dass ich Sie gestört habe.«
»Machen Sie sich deshalb keine Gedanken, bitte.« Cammie hielt inne, dann sprach sie weiter. »Ich hoffe, dass sich für Sie alles zum Guten wendet.«
»Das ist nett von Ihnen, wirklich.«
Das junge Mädchen sah Cammie noch einmal an, dann wandte es sich ab und ging schnell die Treppe der Veranda hinunter. Cammie sah ihr nach, bis sie in ihren klapprigen Wagen stieg. Als sie dann zurück ins Haus ging, war ihre Stirn gerunzelt.
Ihr Onkel wartete in der Küche auf sie, die Hände in die Hüften gestützt. Seine Stimme klang mißbilligend, als er sprach. »Was um Himmels willen wollte dieses Mädchen hier?«
Cammie fühlte eine wohlbekannte Entrüstung in sich aufsteigen. Seine Einmischungen in ihr Leben seit dem Tode ihrer Eltern wurden immer schwerer zu ertragen, auch wenn er es vielleicht gut mit ihr meinte. Sie ging zur Anrichte, auf dem noch ein Rest Kaffee in der Kaffeemaschine stand, und goß eine Tasse davon ein. Zusammen mit Milch und Zucker stellte sie alles vor ihn hin. »Evie wollte sich nur mit mir über Keith unterhalten, das ist alles«, meinte sie über ihre Schulter hinweg.
»Warum? Wollte sie etwa herausfinden, was seine Lieblingsspeisen sind oder wie er seine Hemden gebügelt haben möchte?« Ihr Onkel ging mit dem Kaffee zum Küchentisch hinüber, blieb aber abwartend stehen, bis sie sich schließlich zuerst hinsetzte.
Cammie wusste , er würde erst Ruhe geben, bis er die ganze Geschichte gehört hatte. So knapp wie möglich erzählte sie ihm alles.
Ihr Onkel schürzte seine vollen Lippen. »Das ist ja alles gut und schön, aber ich glaube, du solltest dieses Mädchen nicht dazu ermuntern, dich zu besuchen. Es ist nicht recht.«
Sein Benehmen war typisch, er war ein sehr selbstgerechter Mann.
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