Verheißung Der Nacht
Streunende Schafe, die in den Schutz der Kirche zurückkehrten, waren eine Sache, doch in seinem eigenen Heim waren sie eine ganz andere Sache. »Ich bezweifle, dass Evie meine Busenfreundin sein möchte«, wehrte Cammie ab, und noch ehe er etwas darauf sagen konnte, sprach sie schnell weiter. »Aber sag mir, was bringt einen Pastor schon so früh hier heraus?«
Das Gesicht ihres Onkels verzog sich unwillig. »Wirklich, Camilla, du weißt doch, dass ich es vorziehe, wenn du mich Reverend nennst.«
»Tut mir leid«, sagte sie, doch das stimmte nicht. Sie hatte sich absichtlich in der Wortwahl vergriffen, denn sie war davon überzeugt, dass er vielleicht ein besserer Mensch werden würde, wenn seine Überheblichkeit ab und zu einen Dämpfer bekam.
»Eigentlich«, begann er entschlossen, »hat mich deine Tante geschickt. Sie machte sich Sorgen wegen einer Geschichte, die sie im Lebensmittelladen gehört hat.«
»Wirklich? Aber warum ist Tante Sara dann nicht selbst gekommen?«
»Du weißt doch, wie weinerlich sie wird, wenn sie sich aufregt. Außerdem, sagt sie, ist es nicht unsere Aufgabe, unsere Nase in deine Angelegenheiten zu stecken. Ich habe ihr gesagt, das sei Unsinn, dass wir die Menschen sind, die dir am nächsten stehen. Wer sonst sollte sich denn um dich kümmern, jetzt, wo Keith ... das heißt, jetzt, wo du allein bist.«
Cammie fühlte, wie ihr Zorn noch ein wenig größer wurde, als sie begriff, welche Beweggründe ihr Onkel für seinen Besuch hatte. Mit Mühe beherrschte sie sich, als sie jetzt weitersprach. »Tante Sara hat recht. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, dass du dir über meine Probleme den Kopf zerbrichst.«
»Den Kopf zerbrechen? Es ist nicht mehr als unsere Pflicht, wenn wir uns um dich kümmern, ganz besonders, wenn man hört, dass hier aus diesem Haus Schüsse abgegeben worden sind, um drei Uhr am Morgen.«
»Das hat mit diesem kleinen Problem mit Keith zu tun, von dem ich dir erzählt habe. Er kann es einfach nicht in seinen Kopf bekommen, dass dies nicht mehr sein Haus ist.«
»Du hast also auf ihn geschossen?« Die Stimme ihres Onkels drückte offen seine Mißbilligung darüber aus.
»Mir schien es zu diesem Zeitpunkt das einzig Richtige zu sein.«
»Du hättest doch mit ihm reden können, hättest versuchen können, die Dinge mit ihm zu klären.« Über der hohen Stirn ihres Onkels leuchtete sein weißes, stoppeliges Haar silbern im Morgenlicht, als er den Kopf senkte, um den lauwarmen Kaffee zu trinken.
»Ich möchte mich nicht mit ihm einigen«, widersprach Cammie grimmig.
»Die Ehe ist, wie du weißt, Camilla, eine geheiligte Institution, von Gott gesegnet, sie ist nicht nur ein Vertrag, den man brechen kann. Du solltest in deinem Herzen nach Vergebung suchen, die es dir ermöglicht, deinen rechtmäßigen Platz als Ehefrau wieder einzunehmen.«
»Danke für deine Bemühungen«, meinte sie. »Aber ich brauche keine Vergebung. Und ich habe festgestellt, dass ich lieber allein lebe, als einen Mann zu haben, der das Wort >Treue< genausowenig kennt wie das Wort >geheiligt<.«
Er schien ihren Sarkasmus überhaupt nicht zu bemerken. Sein Gesicht rötete sich, und seine hervorstehenden grauen Augen blitzten, als er weitersprach. »Du wagst es, dich über mich lustig zu machen, nachdem du nur halb angezogen durch die ganze Stadt gelaufen bist? Nachdem du die Nacht mit Reid Sayers verbracht hast?«
»Ich denke kaum ...«, begann sie.
Doch Reverend Taggart unterbrach sie mit dröhnender Stimme, die er normalerweise nur bei seinen Predigten benutzte. »Nein, offensichtlich denkst du gar nicht! Das Auto des Mannes stand auf der Einfahrt deines Hauses, bis in die frühen Morgenstunden, alle konnten es sehen, Camilla. Du solltest ein wenig vorsichtiger sein, denn sonst gerätst du noch in große Schwierigkeiten. Sayers kann man nicht trauen. Du würdest gar nicht glauben, was alles über ihn erzählt wird.«
»Ich bin sicher, du glaubst es, und du wirst mir sicher auch alles erzählen.«
»Da ich deinen Mangel an Verstand kenne, ganz zu schweigen von Reue, habe ich das Gefühl, dass das meine Pflicht ist. Sayers ist gefährlich, er ist ein Psychopath. Man hat ihn ausgebildet, um zu töten, in einer Spezialeinheit. Ich selbst war auch in der Armee, ich weiß also, wovon ich rede. Er hat eine Menge Menschen umgebracht, und hätte beinahe eine Frau auf dem Gewissen gehabt, irgendwo im Westen. Er war im Mittleren Osten, bis zum Hals war er in dieses Durcheinander mit den
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