Verheißung Der Nacht
weit sie gehen konnte, so besaß sie doch genug Stil, um sich zurückzuhalten.
Schnell wechselte sie von diesem heiklen Thema zu einem anderen. »Warum bist du heute abend hierhergekommen?« wollte sie wissen. »Ich meine, warum wirklich?«
Er blickte auf das Glas Bourbon mit Soda in seiner Hand, als hätte er es erst gerade entdeckt. »Mir schien es eine gute Möglichkeit, mein Wochenende zu verbringen.«
»Ich begreife noch immer nicht, wie du es geschafft hast, eine Einladung zu bekommen.«
»Kontakte.«
Wenigstens das schien zu stimmen. Sie hatte gesehen, wie er den verschiedensten Leuten zugenickt hatte, einer weiblichen Verbindungsbeamtin aus der Französischen Botschaft und anderen Bekannten, zweifellos aus seiner Zeit in Washington. Auch Senator Grafton aus ihrem Distrikt, ein einflußreicher Mann auf dem Capitol Hill, hatte Reid angesprochen, sich ganze fünfzehn Minuten lang mit ihm unterhalten.
Der Gedanke, dass er nach New Orleans gekommen war, um mit ihr zusammenzusein, war natürlich sehr schmeichelhaft. Aber es machte sie auch nervös. Erwartete er etwa, ihre Übereinkunft der letzten Nacht hier fortzusetzen? Wollte sie selbst das überhaupt?
»Ich glaube, du hast mir noch nicht gesagt, wo du überhaupt wohnst.« Cammie hatte noch gar nicht daran gedacht, ihn danach zu fragen. Sie war so erstaunt gewesen, als er plötzlich vor ihr stand, dass er überhaupt gewusst hatte, wo er sie finden konnte, dass sie mit ihm zu der Party gegangen war, so fügsam wie ein Lamm zur Schlachtbank geht.
»Windsor Court«, antwortete er mit einer leisen Belustigung in seinem Blick. »Wie du siehst, habe ich es nicht als selbstverständlich hingenommen, dass ich bei dir willkommen sein würde.«
Ihr Lächeln war nur flüchtig. Sex ohne feste Bindung, ohne jegliche Erwartung zwischen zwei beinahe Fremden, das war es, was sie ihm angeboten hatte, und er hatte ihr Angebot angenommen.
Dieser Gedanke hatte einen tiefen erotischen Aspekt, ganz besonders, wenn der Mann so attraktiv war wie Reid Sayers. Nie in ihrem Leben hatte sie sich jemals so sehr als Frau gefühlt. Seine heißen Blicke, die er ihr von Zeit zu Zeit zuwarf, wenn er alle Vorsicht vergaß, waren wie eine Liebkosung. Sie hatte gesehen, wie er tief Luft geholt hatte, als er neben ihr stand, und wie er dann gelächelt hatte, als genösse er den Duft ihres Gardenienparfüms und auch ihre Anwesenheit. Sie fühlte, wie ihr Körper sich anspannte, wie er an anderen Stellen nachgiebiger wurde, wenn Reid sie zufällig berührte. Auf eine Art war es beängstigend, aber gleichzeitig war es auch erregend. Und verlockend.
Doch noch immer war sie nicht sicher, dass es zwischen ihnen eine Beziehung geben könnte, die über diese eine überwältigende Nacht hinausging. Es gab viel zu viele Fallstricke, zu viele Unbekannte, zu viele Differenzen zwischen ihnen. Es waren viel zu viele Leute verstrickt in diese Sache, und sie hatten nicht genug Möglichkeiten, sich zurückzuziehen.
Sie zweifelte nicht daran, dass die Neuigkeit ihres gemeinsamen Wochenendes in New Orleans bereits in Greenley die Runde machte. Sie konnte förmlich hören, wie die Telefone heiß liefen, konnte sehen, wie man im Lebensmittelmarkt mit den Einkaufswagen zusammenstand und flüsterte. Die außergewöhnliche Vorstellungskraft der Menschen, die sich ihre Stimulation aus den Sensationsmeldungen im Fernsehen holten, war beinahe unbegrenzt. Wahrscheinlich berichteten die neuesten Klatschnachrichten schon, dass sie genau in diesem Augenblick nackt in irgendeinem Hotelbett lagen, Champagner tranken und schlimme, unzüchtige Dinge miteinander trieben und mit dem, was in der Flasche noch übrig war.
»Woran denkst du gerade?« fragte Reid, und seine Stimme war voller Neugier, als er sah, dass sie über und über rot wurde.
Sie wandte sich ihm zu und sah ihn mit großen, nachdenklichen Augen an. Ihre Stimme klang rauh, als sie sprach. »An die menschliche Natur.«
Der Abend nahm seinen Lauf. Cammies Füße in den schwarzen Seidenschuhen, die zu ihrem Kleid paßten, begannen zu protestieren, ihr Lächeln wurde immer gequälter. Die weibliche Verbindungsbeamtin, besonders schick in ihrem YSL-Kleid aus gelber Seide, das ihre wohlgeformten Knie frei ließ, hatte Reid entführt, um ihn einigen ihrer Freunde vorzustellen.
Die beiden standen jetzt in einer Ecke des Raumes, lachten zusammen und unterhielten sich so leise, dass Reid seinen Kopf fast bis zu ihren Lippen herunterbeugen musste , um sie verstehen
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