Verheißung des Glücks
kennt nun einmal nur meine Vergangenheit. Wäre sie ein wenig anders verlaufen, so hätte ich Schottland nie verlassen. Wir beide hätten uns wahrscheinlich viel früher kennen gelernt und wären vielleicht sogar schon als Kinder Freunde geworden.«
Lincolns Ton berührte Melissa. »Ach, quäl dich doch nicht mit solchen Gedankenspielen! Wahrscheinlich wären wir uns nie begegnet, wenn du in Schottland geblieben und noch immer mit meinen Onkeln befreundet wärst. Sie haben mir noch nie einen ihrer Freunde vorgestellt.«
»Das liegt sicher daran, dass sie keine haben.«
Melissa warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, weil sie diese sarkastische Bemerkung nicht widerlegen konnte.
»Sie haben durchaus Freundschaften«, sprang Kimberly nun für ihre Brüder in die Bresche. »Wenn auch keine besonders engen. Ein Mann, der fünfzehn Brüder hat, braucht nicht unbedingt noch andere Menschen, die ihm nahe stehen. Dass Sie einst einer der wenigen Freunde der MacFearsons wurden, ehrt Sie, Lincoln. Was dann geschah, ist vorbei und nicht mehr zu ändern. Aber trotz alledem trafen Sie Melissa. Das war Ihnen wohl vom Schicksal so bestimmt.«
»Ja«, nickte Melissa strahlend.
Doch ihre Mutter war noch nicht fertig. »Nun aber zu näher liegenden Dingen. Haben Sie meine Tochter kompromittiert? «
Melissa stöhnte innerlich und merkte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Sie hatte auf der Fahrt nach London mit Lincoln darüber gesprochen, und sie waren sich einig, dass sie niemandem sagen wollten, was in der vergangenen Nacht geschehen war. Das würde nur zu peinlichen Situationen führen — wie man soeben sehen konnte. Es bestand auch durchaus die Möglichkeit, damit alles noch schlimmer zu machen — falls nämlich Melissas Vater glaubte, Lincoln wolle damit eine Heirat erzwingen.
Das Ausbleiben einer Antwort und die roten Köpfe bestätigten Kimberlys Vermutung. »Offenbar haben Sie das. Nun, wenn es sich vermeiden lässt, werden wir Melissas Vater nichts davon sagen. Hoffen wir, dass er nicht danach fragt. Denn eure Gesichter sprechen für sich.«
»Wann kommt er denn zurück?«, fragte Melissa, der daran gelegen war, ein unverfänglicheres Thema anzuschlagen.
»Das weiß ich nicht ...«, hob Kimberly an, als plötzlich Lachlans kräftige Stimme von der Haustür her erscholl. »Wo ist sie?« Offenbar hatte der Butler ihm gerade gesagt, Melissa sei wieder da.
»Ich schätze, gerade in diesem Augenblick«, setzte Kimberly seufzend hinzu.
Neununddreißigstes Kapitel
Lachlan stürzte in den Salon. Er sah zerzaust, staubig und müde aus, vor allem aber sehr wütend. Ein riesenhafter Mann wie er auf dem Kriegspfad war ein beeindruckender Anblick. Die ersten Worte, die er sagte, machten jede Hoffnung zunichte, dass sein Arger sich bereits gelegt hätte.
»Nennen Sie mir einen guten Grund, warum ich Ihnen nicht den Kopf abreißen sollte!«, donnerte er mit einem finsterem Blick, der eindeutig Lincoln galt.
Melissa antwortete an Lincolns Stelle. »Weil mir sein Kopf, da wo er jetzt ist, ganz gut gefällt.«
»Dann nenn du mir einen guten Grund, warum ich dich nicht für die nächsten zehn Jahre in deinem Zimmer einsperren sollte. Oder wenigstens so lange, bis du vergessen hast, wie sein Kopf aussieht.«
»Weil du mich schon nach einem Tag wieder herauslassen würdest. Denn du bringst es nicht fertig, mir das Herz zu brechen.«
»Mag sein. Aber davon einmal abgesehen?«, grollte Lachlan.
Melissa stellte sich neben Lincoln. Sie wusste, sie hatte von ihrem Vater nichts zu befürchten. Dennoch suchte sie instinktiv die Nähe des Mannes, den sie liebte. Es war, als hoffe sie, bei ihm nicht nur Schutz, sondern auch Unterstützung zu finden. Melissa merkte gar nicht, was sie tat, doch den scharfen Augen ihrer Mutter entgingen diese vielsagenden kleinen Zeichen der Vertrautheit nicht.
»Er hat sie zurückgebracht«, sagte Kimberly ruhig.
»Das ist Grund genug. Und sie sind nicht verheiratet. Sie hätten es tun können, aber er brachte sie zurück, weil ...«
»Ach so ist das! Sie wollen meine Tochter nicht mehr haben!«, herrschte Lachlan Lincoln an und wollte sich bereits wieder ereifern.
»Ganz im Gegenteil. Dass sie meine Frau wird, ist mein sehnlichster Wunsch. Doch Melissas Glück bedeutet mir mehr als mein eigenes. Und da zu ihrem Glück nun einmal der Segen ihres Vaters gehört, werde ich tun, was ich nur kann, um diesen zu erhalten.«
»Dass wir zurückkamen, war allein Lincolns Entscheidung«, sagte Melissa.
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