Verheißung des Glücks
überlässt solche niederen Arbeiten seinen Knechten.«
Melissas Anblick ließ Lincolns braune Augen aufleuchten. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, während er die Bürste ausklopfte. Er versuchte, sich mit dem nackten Unterarm den Schweiß von der Stirn zu wischen, was ihm gründlich misslang.
»Ich reite am liebsten Hengste. Diesen hier habe ich schon seit ein paar Jahren«, erklärte er. »Zu Hause sind die Stallknechte mit ihm und seinen gelegentlichen Temperamentsausbrüchen vertraut. Aber wenn er in einem fremden Stall steht, muss ich mich selbst um ihn kümmern. Das macht mir nichts aus. Ich finde, der Umgang mit Pferden hat etwas Beruhigendes.«
Melissa stellte sich mit den Zehenspitzen auf das unterste Brett des Verschlages, in dem der Hengst stand. Die Ellbogen stützte sie auf das oberste Brett. »Und warum muss es gerade ein Hengst sein?«
Lincoln zuckte die Schultern und fuhr fort, das Fell des Tieres mit der Bürste zu bearbeiten. »Ganz genau kann ich es nicht sagen. Aber mir gefällt es, dass Hengste immer wieder versuchen, ihren eigenen Willen durchzusetzen und die Frage zu klären, wer das Sagen hat.«
»Und? Weiß dieser hier, dass du sein Herr bist?«
Lincoln grinste. »Manchmal meint er, er hätte das Sagen; und gelegentlich habe ich das Gefühl, dass er mich nur gnädig toleriert. Aber was führt dich eigentlich in den Stall?«
»Ach, das hätte ich nun fast vergessen. Ich habe gerade einen Brief von deiner Tante Henriette bekommen. Sie schreibt, deine Mutter sei ins Hochland zurückgekehrt. Und nun frage ich mich, warum sie das mir mitteilt und nicht dir.«
In Lincoln ging eine auffallende Veränderung vor. Mit einem Mal wich der Glanz aus seinen Augen. Sein Mund wurde zu einem dünnen Strich und seine Züge versteinerten.
»Vielleicht weil sie weiß, dass mich das nicht interessiert.« Die Antwort kam in hartem Ton.
Vorläufig war Melissa bereit, so zu tun, als sei alles in bester Ordnung. Sie versuchte, ganz unbekümmert zu klingen, als sie sagte: »Deine Tante ist wohl der Meinung, wir seien so gut wie verheiratet und denkt, mich würde es vielleicht interessieren.«
»Und warum?«
»Es könnte ja sein, dass ich deine Mutter einmal besuchen will.«
»Das willst du aber nicht.«
Melissa stemmte die Hände in die Hüften — kein leichtes Unterfangen, wenn man dabei gleichzeitig auf einem Brett balancierte. »Nun hör mir einmal gut zu, Lincoln Ross Burnett. Ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich wollen soll und was nicht!« Dabei bemühte sie sich, noch eine gewisse Leichtigkeit in ihren Ton zu legen.
Lincoln hob eine Augenbraue. »Wird das jetzt unser erster Ehekrach? Und das, wo wir noch nicht einmal verheiratet sind?«
Melissa lächelte ein wenig, doch entschlossen kehrte sie zum eigentlichen Thema zurück. »Dachtest du wirklich, diese Angelegenheit würde nie zur Sprache kommen? Schließlich wird deine Mutter bald meine Schwiegermutter sein. Du hast doch gesagt, du wolltest deine Bitterkeit loswerden. Bist du nicht vor allem deshalb vor ein paar Wochen nach Schottland gekommen?«
»Dieses Vorhaben ist gründlich misslungen. Das Wiedersehen mit meiner Mutter hat alles nur noch schlimmer gemacht. Aber das ist nun unwichtig, denn ich habe ja auf dieser Reise dich und damit mein Glück gefunden.«
Melissa begann bei den letzten Worten zu strahlen. Ablenken ließ sie sich allerdings nicht. »Mir ist das alles andere als unwichtig.«
»Warum?«
»Weil deine Mutter zu meiner Familie gehören wird«, erklärte sie.
»In ihrem Fall solltest du diesen Umstand nicht überbewerten.«
»Ich soll einfach so tun, als gäbe es die Großmutter meiner Kinder gar nicht? Das bringe ich nicht fertig.«
Lincoln gelang es, gleichzeitig verärgert und fasziniert auszusehen. »Du denkst bereits an Nachwuchs?«
»Natürlich.«
»Ehm ... wie viele kleine Burnetts schweben dir denn ungefähr vor?«
Melissa lachte, denn sie erriet seine Gedanken. »Jedenfalls deutlich weniger als sechzehn. Drei oder vier würden mir durchaus reichen. Aber wir kommen von unserem eigentlichen Thema ab. Deine Mutter wird alle großen Feste des Jahreslaufes mit uns feiern. Wenn ich sie nicht dazu einlade, wird meine Mutter es tun. Bei solchen Anlässen ist man ausgelassen und fröhlich. Es wird gescherzt und viel gelacht. Ich will nicht, dass dir alle Festtage vergällt sind, nur weil deine Mutter bei uns ist.«
Lincolns Stimme klang beinahe trotzig, als er sagte: »Das ist wohl nicht zu ändern. Aber
Weitere Kostenlose Bücher