Verheißungsvolle Küsse
entfernen, zog er sie zurück. »Nein - verlasst mich nicht.« Er kaschierte diese schlichte, direkt aus seinem Herzen kommende Bitte durch ein lockeres Zwinkern. »Bei mir seid Ihr sicherer als bei jedem anderen - und zusammen werden wir uns bestens amüsieren!« Er sah ihr direkt in die Augen. »Ein Waffenstillstand, mignonne - bis heute Abend!«
Ursprünglich wollte er mit ihr über seine Absichten reden - darüber, was er mit seiner Einladung bezweckte. Er hatte damit gerechnet, dass Thierry seinen Brief bereits erhalten und ihr den Inhalt erzählt hatte - danach wäre sie sicher zu einem privaten Gespräch bereit gewesen. Aber … nachdem sie von seiner Einladung nichts wusste, konnte sie sich nicht mit ihm von den anderen entfernen - und es war ihm unmöglich, in einem solchen Gedränge das Wort »Heirat« zu erwähnen, alle Gespräche würden sofort verstummen.
Helena war sich seiner Warnung sehr wohl bewusst - wenn er sagte »bis heute Abend«, dann meinte er genau das. Dass er sie heute Abend ausfindig machte und - nun, man würde weitersehen.
Nickend legte sie den Kopf zur Seite. »Wie Ihr wünscht, Euer Gnaden - ein Waffenstillstand!«
Sebastian lächelte, führte ihre Hand an seinen Mund. »Auf baldigst!«
Helena hatte sich bereits in ihren Umhang gewickelt und die Maske aufgesetzt, als sie, von Marjorie gerufen, ihr Zimmer verließ.
»Wir werden zu spät kommen, ma petite ! Und dann draußen Schlange stehen!«
»Bin schon da!«
Helena kam gerade die Treppe herunter, als sich das Haustor öffnete und Thierry, immer noch in Morgengarderobe, müde und erschöpft eintrat.
Marjorie hatte sich rasch umgedreht, jetzt lief sie auf ihren Mann zu. » Mon Dieu! Gut, dass du da bist, wir müssen immédiatement los!«
Thierry rang sich ein Lächeln für sie und Helena ab. »Du wirst mir gestatten, dass ich mich umziehe, chérie . Geht ihr schon voraus. Ich komme nach.«
»Aber Gaston …«
»Madame, ich kann nicht mit all dem Reiseschlamm auf diesem Maskenball erscheinen. Ich werde mein Kostüm anziehen« - Thierry warf einen Blick auf die Post, die sich auf dem Beistelltisch stapelte - »und kurz diese Briefe durchschauen. Dann werde ich toute de suite folgen, chérie - das verspreche ich.«
Marjorie zog einen Schmollmund, akzeptierte aber sein Versprechen. Sie küsste Thierry auf die Wange. »Toute de suite, oui?«
Thierry erwiderte den Kuss. »Oui.«
Er strahlte Helena an und warf ihr einen Handkuss zu. »Du siehst hinreißend aus, ma petite ! Amüsier dich.«
Eilig raffte er die Briefe zusammen und bedachte auch Louis mit einem beschwichtigenden Wort.
Letzterer half Marjorie und Helena in die Kutsche, dann stieg er ebenfalls ein. Das Gefährt rumpelte schwankend in Richtung Berkeley Square los. Wie Marjorie prophezeit hatte, wartete eine endlose Reihe von Kutschen, die ihre Insassen vor Lowy House absetzen wollten.
Die Nacht war klar und beißend kalt; trotzdem hatte der Anblick des Gewimmels fantastisch verkleideter Gäste in Kostümen, die sowohl gewagt als auch prachtvoll waren, eine große Menge Zuschauer angelockt. Ein dicker, roter Teppich führte von der Eingangstür bis zum Rand des Gehsteigs, flankiert von üppigen Efeu- und Stechpalmen-Arrangements. Fackeln loderten hell und beleuchteten die ankommenden Gäste, sodass jeder sie betrachten konnte.
Als man Helena aus der Kutsche half, gab es keine Uuuhs und Aahs. Sie wirkte irgendwie schlicht, zwar in üppigen Samt gehüllt, aber vorläufig nicht wirklich auffallend. Dann hob sie den Kopf und schlug ihre Kapuze zurück. Nun richteten sich doch alle Augen auf sie. Das Licht der Fackeln fing sich in dem goldenen Reif aus Lorbeerblättern in ihren schwarzen Locken. Tanzte über die Maske aus massivem Gold, in die ebenfalls Lorbeerblätter gehämmert waren und die ihr Gesicht verdeckte. Der Umhang gab zwar noch immer nicht den Rest ihres Kostüms frei, aber die Zuschauer gafften mit offenen Mündern.
Voll Besitzerstolz führte Louis Helena und Marjorie über den roten Läufer durch das offene Portal. Sobald sie innen angelangt waren, entzog ihm Helena ihre Hand und zerrte an den goldenen Schnüren ihres Umhangs.
Sie hatte das Kostüm schon einmal getragen und war sich seiner Wirkung auf anfällige Männer sehr wohl bewusst. Als sie einem wartenden Lakaien ihren Umhang reichte, fielen dem fast die Augen aus dem Kopf. In der schmalen Hülle aus blassblauer Seide im Stil einer römischen Toga, mit Lorbeerblättern in Gold an Dekolleté und
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