Verico Target
hochging! Neymeier hatte eine Nase dafür.
»Worüber sind Sie gestolpert?«
»Cadoc.«
Cavanaugh spürte, wie sich seine Rückenmuskeln
zusammenzogen.
»Es ist ein Heiliger«, sagte Neymeier.
»Ein Heiliger?« wiederholte Felders. »Sie
meinen, na ja, ein frommer Mensch, der Wunder tut?«
»Jawohl. Sechstes Jahrhundert. Möglicherweise fiktiv.
Verschwommene Daten. Spärlich dazu. Der Ausdruck.« Und
damit legte er ein Blatt Papier vor Felders auf den Schreibtisch.
Cadoc: Heiliger des sechsten Jahrhunderts, wahrscheinlich
walisisch, möglicherweise fiktiv. Ihm wird die Gründung
eines Klosters nahe Cowbridge zugeschrieben, dessen Abt er wurde, des
weiteren die Bekehrung des hl. Iltyd zur Abwendung von der Welt und
hin zu einem gottgefälligen Leben; soll als Bettelmönch
ausgedehnte Reisen unternommen haben – nach manchen Quellen bis
nach Irland, Schottland, Jerusalem, Rennes in Frankreich und
Benevento, Italien. Möglicherweise wurden die Berichte über
ihn aus den fragmentarischen Lebensgeschichten mehrerer Heiliger
zusammengefügt. Wenige schriftliche Erwähnungen.
Verläßlichste Quelle wahrscheinlich Alban Butler,
gestützt auf Capgrave.
»Was, zum Teufel, will die Sippschaft mit einem walisischen
Heiligen?«
Niemand antwortete.
»Neymeier«, sagte Felders, »gehen Sie die
italienischen Zeitungen durch. Stellen Sie fest, ob der Papst oder
sonstwer irgendwelche Dekrete, oder wie immer das heißt,
über diesen Heiligen herausgegeben hat. Während der letzten
drei Jahre. Suchen Sie sich zur Unterstützung wen, der
italienisch kann.«
»Okay«, sagte Neymeier und ging.
»Ideen?« Felders blickte in die Runde. »Auf welche
Weise könnte die Mafia noch genügend über irgendeinen
obskuren fiktiven Heiligen erfahren haben, um sich ihr Scherzchen mit
ihm zu machen? Ein Scherzchen, das einen Handlanger und sein
Mädchen das Leben kosteten?«
Auf seinem Schreibblock entwarf Cavanaugh die Umrisse eines
Reagenzglases mit DNA, aus dem die Gestalt eines Heiligen aufstieg:
langer weißer Bart, einfache, zerlumpte Kutte mit einem Kreuz
am Gürtel, und Beine, die aus einem Wirbel gentechnisch
veränderter Viren entstanden. Er beschriftete die Zeichnung mit
MODERNE WUNDER.
Dann bedeckte er die Zeichnung mit dicken, schwarzen, penibel
parallel gezogenen Strichen.
»Ich denke…« setzte Deming an, aber das Telefon
klingelte.
Felders hob ab. »FBI, Felders.«
»Sir, wir haben einen Anruf, der Judy Kozinski erwähnt.
Er kommt nicht von ihr selbst, sondern von einer
Polizeinotruf-Telefonistin im Staat New York. Wollen Sie ihn
entgegennehmen?«
»Ja!«
»Hallo? Hallo?« Die Frauenstimme klang fest, aber
nervös.
»Hier spricht Martin Felders vom FBI. Bitte sprechen
Sie.«
»Mein Name ist Carolyn Waters, vom Polizeinotruf Marion
County…« Sie schien unsicher, wie sie fortfahren sollte.
»Um die Wahrheit zu sagen, Mister - Felders? –, ich habe
keine Ahnung, ob es sich dabei nicht um einen Scherz handelt,
jedenfalls rief vor etwa fünfzehn Minuten eine Frau
an…«
Judy Kozinski!
»… und sagte, auf dem Anwesen der Streiter des
göttlichen Bundes in Cadillac finde soeben eine Schießerei
statt, und wir sollten Polizei und Ambulanzfahrzeuge vorbeischicken.
Dann trug sie mir auf, einen FBI-Agenten namens Robert Cavanaugh
anzurufen und ihm zu bestellen, daß Judy Kozinski gesagt
hätte, im Anwesen würden sich die Biotech-Killer befinden,
und daß ›Cadillac‹ gleich ›Cadoc‹ sei.
Also, mir schien das keinen Sinn zu ergeben, aber ich schickte einen
Streifenwagen zu dieser Siedlung – sie gehört einer Sekte,
die angeblich zutiefst friedfertig ist, wissen Sie –, und dort
fand tatsächlich eine Schießerei statt. Wir
schickten Verstärkung und Ambulanzen und alles an Hilfspersonal,
was wir auftreiben konnten. Doch dann, als ich bei Ihnen anrief,
wurde ich zuerst mit einer Mrs. Victoria Queen
verbunden…«
Aha, also arbeitete auch Queen Victoria heute länger, stellte
Cavanaugh bei sich fest. Und irgend jemand hatte entschieden,
daß dieser Anruf Material für das Spinnerdepot war.
»… und ich dachte, das wäre auch ein Scherz, ich
meine, mit diesem Namen, also hätte ich beinahe
aufgelegt. Aber Mrs. Queen hat mich dann zu Ihnen verbinden
lassen.«
»Ja«, sagte Felders. »Ihre Notrufe werden doch auf
Band mitgeschnitten, nicht wahr? Spielen Sie mir die Aufnahme
vor.«
»Jawohl, Sir.«
Das Band startete, und Cavanaugh lauschte Judy Kozinskis Stimme.
Ihrer lebendigen Stimme.
»Hallo? Mein
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