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Verirrt in den Zeiten

Verirrt in den Zeiten

Titel: Verirrt in den Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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von
der Tortur.
    Das Weib war stumm, aus ihren irren Blicken sprach Todesnot
und Wahnsinn. Die drei Juden stammelten mit bebenden
Lippen ihre uralten Gebete: »Zu meiner Rechten stehet
Michael, zu meiner Linken Gabriel, und vor mir Rafael und
im Rücken Uriel. Doch über meinem Haupte Gottes Majestät.
Feindschaft wird sein — so hat der Herr gesprochen —
zwischen Jisroel und den anderen Völkern; sie haben uns geschlagen.Doch einst wird kommen der Tag, da wird uns Gott
umgürten mit dem Schwerte, unsre Widersacher zu vernichten.
Und es wird ein Schrecken fallen von Israel auf seine
Feinde. Aug um Auge, Zahn um Zahn.«
    So gingen sie zum Martertode, in ihren spitzen Judenhüten,
am Arm den gelben Fleck und um den Hals die Schandkrause.
Schmutzig, häßlich und geduckt, »nagende Würmer
am Leib der Christenheit, dem armen Manne widerwärtig
und verderblich«.
    So zogen sie dahin, gehöhnt, geschändet und gemartert.
Und doch sprach aus ihrem Antlitz uralte, milde Weisheit, und
mir war’s, als leuchteten aus ihren Augen in feurigem Glanze
die Zinnen der Ewigen Stadt . . . Das auserwählte Volk!
    Jähes Mitleid schoß mir dunkel in die Augen. Sind sie mir
denn nicht Gefährten? Ach, auch sie nennen sich die Auserwählten
und sind doch nur Ausgestoßene!
    Das Stadttor lag schon hinter uns, das Hochgericht war
nahe. Da ging Unruhe durch die Menge, angstvolles Geraune,
und alles deutete nach vorn; Ich blickte hin und sah ihn , wie
er dem Zug voranschritt, und das Herz erstarrte mir in
Grauen.
    Eisengraue Locken umwallten königlich das tiefgebräunte
Antlitz. In härenem Gewande die mächtige Gestalt, gestützt
auf einen Pilgerstab. So schritt er hin, mit seinen weit ausholenden
und doch so müden Wanderschritten.
    Und ringsum flüsterte das Volk: »Seht Ihr ihn nicht? Das
ist der Jud’, der Ewige, der Ahasverus, der seine Landsleute
zum Tod geleiten tut.«
    Ja, so zog er hin, wie ein Verderben kündender Prophet,
seinem Volk voran, in Schmach und Haß und Flammen.
    War er’s, oder war er’s nicht, der Jude, der mich einst verfluchte?
Ich konnte ihn nicht mehr deutlich sehen, denn er
zog weiter, mit den Schritten des müden Weltenwanderers.
Zog weiter, bis er am Waldesrand verschwand.
Dreiundvierzigstes Kapitel
    N un ist mein Häuschen ausgebessert und neu eingerichtet,
und ich bin wieder draußen.
    Unruhevoll gehe ich im Garten auf und ab. Von unten her
schimmert staubbedeckt die Landstraße. Die Buchen und die
Linden neigen ihre Häupter vor dem Winde, und durch die
Luft zieht, herb und leidenschaftlich, der erste Duft welkenden
Laubes.
    Wochen auf Wochen sind nun schon verstrichen, und noch
ist nichts recht fertig, und ich habe nichts getan. Ich werde
noch den großen Augenblick versäumen, solange die Heere
Gustav Adolfs und Wallensteins einander vor Nürnberg gegenüberstehen.
    Schon heißt es, daß der Schwedenkönig die blutigen und
fruchtlosen Stürme auf das kaiserliche Lager aufgeben will.
Und der Friedländer — so sagt man —, unbeständig und stets
wechselnd in seinen Plänen und geängstigt durch die ausbrechende
Pest, trägt sich mit dem Gedanken, das Lager abzubrechen
und dem Schweden eine Feldschlacht anzubieten.
    Soll ich nicht endlich doch das Bündnis mit ihm schließen?
Aber wird er mich nicht verraten, wird er nicht, unergründlich,
unverläßlich, unersättlich, einmal im Besitze meiner Wissenschaft,
mich um den Anteil, ja ums Leben bringen?
    Aber nein, fürstlich ist seine Dankbarkeit und Großmut gegen
seine Freunde. Und hat es nicht Richelieu schon oft bespöttelt,
daß er, der Ränkevolle, sich so arglos dem verräterischen
Piccolomini ergebe?
    Halt, Richelieu! Der Klügste unter allen Klugen, der die
Mächtigsten sich streiten läßt, damit sie seine eigne Macht erhöhen.
Der wäre mir erwünscht als Partner, der wäre ebenbürtig.
    Ja freilich, das wäre mir der Rechte! Wie hat er denn einem
anderen Erfinder mitgespielt, dem Salomon de Caus? Arglos
bot ihm der Unglückliche sein weltbewegendes Geheimnis an,
die Dampfmaschine, und zum Danke ließ ihn Richelieu alswahnsinnig in das Bicêtre werfen. Würde es nicht ähnlich
auch mir ergehen?
    Nun, die Welt ist groß. Wie wäre es, wenn ich dem Könige
von Spanien ein Dampfschiff baute? Aber nicht solch einen
schwerfälligen Kasten wie jene »Trinidad«, welche Blasco de
Garay dem Kaiser Karl V. vorführte. Nein, einen mächtigen
Ozeandampfer mit 10000 Tonnen Deplacement und 25
Knoten Geschwindigkeit. Wenn ich ihm eine

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