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Verirrt in den Zeiten

Verirrt in den Zeiten

Titel: Verirrt in den Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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Panzerflotte
baute, gegen welche die unbezwingliche Armada Philipps II.
ein Kinderspielzeug wäre? Panzerkreuzer, mit denen er die
Schiffe Englands wie Nußschalen zertrümmern könnte? . . .
Oder aber umgekehrt. Eine solche Flotte für England? — Die
Qual der Wahl. Warum bin ich Techniker, Erfinder? Wäre
ich Botaniker, Sprachforscher, Theologe, ich könnte hier ruhig
weiterleben, meine Arbeit dort fortsetzen, wo ich sie im
zwanzigsten Jahrhundert verließ, müßte nicht die Gegenwart
mit den Maßen einer fernen Zukunft messen und immer wieder,
verwirrend und verwirrt, an Neuerungen denken.
    Ein Windhauch strich herbei und trieb mir, so schien es, andere
Gedanken zu. Und im Rückschlage des Denkens mußte
ich fast lächeln über mich: Nein, wie sich doch ein Mathematiker
das Weltgeschichtemachen vorstellt. Da spekuliere ich
hin und her, ob und wann und wo. Und vor lauter Spekulieren
komme ich gar nicht zum Handeln. Wie der Esel des Buridan,
der zwischen zwei Heubündeln verhungert ist, weil er sich
nicht entschließen konnte, welches von beiden er zuerst fressen
sollte.
    »Was gibt es da noch viel zu deliberieren und zu temporisieren?«
— so hat mich der Wallenstein gefragt, und der weiß,
wie man Geschichte macht. Nein, nicht spintisieren, irgendwo
beginnen, und alles Weitre wird sich finden. Wo immer ich
den Hebel stütze, ich werde den Erdball aus den Angeln
heben.
Vierundvierzigstes Kapitel
    G esagt, getan. Ich ging zur Stadt, um mir vom Magistrat die
Mittel zur Anfertigung meiner Maschine zu erbitten.
    Man wies mich an den Doktor Sulpicius Heidegger. Das
war ein wohlbeleibter, schon bejahrter Herr mit einem gutmütigen,
stets verwunderten Gesicht.
    Als ich ihm das Wesentliche dargelegt, suchte er mich
damit abzufinden, daß »das Geld mankiere«. Doch als ich
nicht abließ, als ich von den Flugmaschinen sprach und mich
immer mehr erwärmend auseinandersetzte, was mein Angebot
eigentlich bedeute, die Unbesiegbarkeit, die Weltherrschaft
— da sagte er und wurde puterrot vor Verlegenheit:
»Guter Herr, da haltet Ihr in Euern Händen Herculis
clavam, die Keule des Herakles; die wollt Ihr mir auf meine
müden Schultern legen?
    Ich weiß nicht, von wo Ihr stammet und von wannen Euch
Eure Wissenschaft geworden, aber Ihr blickt nicht wie ein
Narr noch wie ein Schelm. Und doch rate ich Euch, laßt ab
davon.
    Habt Ihr nicht von der Adventpredigt gehört, die jener Dominikaner
zu Florenz gehalten hat? Als Exordium wählte er
die Worte aus der Himmelfahrtsepistel: ›Viri Galilaei, quid
statis adspicientes in caelum? Ihr Männer von Galilaea, was
steht Ihr und blicket gen Himmel?‹
    Viri Galilaei — das war gemünzt auf Galileo Galilei. Und
der große Galilei mußte vor der sacra rota revozieren und Abbitte
tun.
    Seht« — er dämpfte seine Stimme und sah mit einem
scheuen Seitenblick zur Tür —, »dieses Geschlecht hier würde
Gott verkaufen, si emptorem invenerit, wenn es einen Käufer
fände. Dabei aber hadern sie um Gottes Schuhriemen. Wie
werden sie den erst steinigen, der waget, sich seinem Angesicht
quasi aquilae pennis sublatus, gleichsam auf Adlersfittichen,
zu nähern?«
    Alles, was ich von ihm erreichte, war die Erlaubnis, demMagistrate meine Apparate vorzuführen, worauf man beraten
würde, ob und in welchem Maße meine Bestrebungen zu fördern
seien.
Fünfundvierzigstes Kapitel
    B ald war der Tag gekommen, da ich meine Künste zeigen
und da sich mein Schicksal entscheiden sollte. Meines und das
der ganzen Welt.
    Bei dem Ungeschick der Handwerker und bei der Unzulänglichkeit
der Mittel, die mir zu Gebote standen, mußte ich
selbst überall am Werke sein. Endlich, am Vortage, war dank
meiner fieberhaften Arbeit alles so gut wie fertig. Nur der Leitungsdraht
des Telephons mußte noch gelegt werden; denn
morgen wollte ich von meinem Häuschen zum Rathaus fernsprechen.
Es war schon spät am Abend, so daß ich diese Arbeit
allein besorgen mußte.
    Zerrissenes Gewölke jagte durch die Lüfte und wenn der
bleiche Mond für einen kurzen Augenblick erschien, dann
war’s, als ob die Bäume ihre Häupter rauften, als ob das
nackte Felsgestein sich jammervoll zerfleische, als ob die
ganze Landschaft anklagend zum Himmel riefe. Ungeheure
Unrast keuchte aus dem wilden Atem der Natur. Und doch
erstrahlte aus dieser Unbegrenztheit, wie fernes Lächeln,
köstliche Beruhigung.
    Wie ich nun meines Weges ging und den Draht bald an
einem Felsblock, bald an einem Baum befestigte, da suchte ich
zum Zeitvertreibe

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