Veritas
vom königlichen Blut der Merowinger abstammten. Fürst Sigbert, der Sohn Dietrichs von Austrasien, habe 630 vom König von Frankreich die Grafschaft Alemannien erhalten, und sein Nachfolger Sigbert II. habe sich den Titel eines Grafen von Habsburg verliehen. Von seinem Sohn Pabo vom Elsass stamme neunzehn Generationen später schließlich Rudolph I. ab.
Ganz falsch, donnerten Gelehrte, die noch gebildeter waren als die vorhergehenden: Die Habsburger gehen auf Adam zurück.
Die dynastische Folge (sie umfasste die Könige Babylons und Trojas, die Könige der Sigambrer, Könige und Grafen der Franken, Könige von Gallien und Austrasien, Herzöge aus dem Elsass und Alemannien und Grafen von Habsburg und Ergau) war nach Meinung dieser Experten sonnenklar, wiewohl es ein wenig Geduld bedurfte, um sie von Anfang bis Ende zu studieren: Adam, Seth, Enosch, Kenan, Mahalalel, Jered, Henoch, Metuschelach, Lamech, Noach, Kusch, Nimrod, Cres, Coelius, Saturn, Jupiter, Dardanus L, Erichthonios, Tros, Ilos, Laomedon, Antenor I., Marcomir, Antenor II., Priamos I., Helenus, Diokles, Bassanus, Cladomius I., Nicanor, Marcomir II., Clogio, Antenor III., Estomir II., Merodak, Cassandros, Antharius, Frankus, Chlodius, Marcomir III., Chlodomirus, Antenor IV., Ratherius, Richimerus, Odemar, Marcomir IV, Chlodomirus IV, Farabert, Hunnus, Hilderich, Quatherus, ein weiterer Chlodius, Dagobert, Genebald, ein weiterer Dagobert, Faremund, noch ein Chlodius, Merowech, Childerich, Chlodwig der Große, Chlotarius, Sigisbert oder Sigbert, Childebert, Theodobert, ein weiterer Sigisbert, noch ein Sigisbert, Otbert, Bebo, Robert, Hettobert, Rampert, Guntram, Luithard, Luitfrid, Hunfrid, ein weiterer Guntram oder vielleicht Gunstram, Betzo, Radpot, Werner, Otto, ein weiterer Werner, Albert der Göttliche, Albert der Weise und schließlich Rudolph I.
Gewiss, in dieser Rekonstruktion tauchten die Namen vieler Könige gleich mehrmals auf, zudem mit recht schwankender Orthographie (Bebo oder Pabo? Gunstram oder Guntram? Sigisbert oder Sigbert?), und das Ganze war nicht recht verständlich. Der Vorteil war jedoch, dass sich die Experten darüber nicht stritten, denn es war ihnen schlicht zu mühsam.
Es gab indessen andere, nämlich die klügsten und unermüdlichsten unter den Gelehrten, die behaupteten, Rudolph I. stamme von Albert dem Weisen ab. Nun gut, Albert der Weise war ein Nachfahre des Alberto Pierleoni, Graf von Monte Aventino und Mitglied einer alten, illustren römischen Familie. Nachdem er aus Rom in die Schweiz gegangen war, hatte Alberto Pierleoni die Tochter Werners, des letzten Grafen von Habsburg, geheiratet und so die dynastische Linie Habsburg-Pierleoni begründet. Die römische Familie ging auf Leone Anicio Pierleoni zurück, gestorben 1111, der von ausnehmend noblem Geblüt war, denn er stammte von niemand anderem als dem Römischen Kaiser Flavius Anicius Leo Celphus Olybris ab.
«Leider hat sich die Theorie der Abstammung von den Pierleoni, die unter Leopold L, dem Vater Josephs L, große Mode war, in eine Art Selbstmord verwandelt», lachte Atto gehässig, immer noch erbost über die Demütigung, die er durch die Strassoldo erlitten hatte.
Die Pierleoni, eine reiche und mächtige Familie, hatten ihren Namen nämlich, wie andere Experten zu bedenken gaben, mit einigen recht peinlichen Taten befleckt. In ihren Reihen gab es Kardinäle und Bischöfe, doch auch habgierige Händler und skrupellose Bankiers, die den Heiligen Stuhl in böser Absicht finanzierten, damit er sich der Simonie schuldig mache und sie, indem sie ihn erpressten, ihr eigenes Gärtchen beackern konnten. Ein Pierleoni war 1045 als Gregorius VI. zum Papst gewählt worden, doch dann entdeckte man, dass er sich die Papstwürde schamlos von seinem Vorgänger Benedikt IX. mit Geld erkauft hatte. Die Sache war dem Kaiser Friedrich III. zu Ohren gekommen, der darauf nach Italien kam und Gregor VI. zwang, zurückzutreten und ins Exil nach Deutschland zu gehen, wo der ehemalige Papst dann unter allseitiger Verachtung starb.
Ein weiterer Pierleoni war 1130 unter dem Namen Anaklet II. zum Papst gewählt worden, doch am Tag seiner Wahl hatte man schon einen anderen Kardinal als Innozenz II. zum Papst ernannt, was zu einem schweren Schisma führte, das der ganzen Christenheit jahrelange Sorgen bereitete (Anaklet musste sich nämlich mit fünf weiteren Päpsten auseinandersetzen). Einigen Stimmen zufolge waren die Pierleoni (die, wie viele römische Familien im Mittelalter, ein
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