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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Schwanz und der Kopf des Raubvogels aus Holz geschnitzt waren und sich zum Einschiffen darboten.
    Über dem Kopfe desjenigen, der sich an Bord des Schiffes begab, verliefen einige Stangen, welche von vier Pfeilern gestützt wurden, zwei am Bug und zwei am Heck, ähnlich jenen Gestellen, an denen man die Wäsche im Freien aufhängt. Nur hingen keine Laken, sondern Steine daran. Es handelte sich um kleine, glänzende Gebilde von gelblicher Farbe, sie waren mit Schnüren an den Stangen befestigt. Da ich sie mit der Hand nicht erreichen konnte, versuchte ich mit bloßem Auge zu erkennen, aus welchem Material sie bestanden, und plötzlich begriff ich:
    «Bernstein, das ist schöner, guter Bernstein. Dürfte ein Heidengeld gekostet haben. Warum zum Teufel sie den dort oben …»
    Wieder sah ich Frosch an, doch sein Blick zeugte von gänzlicher Unkenntnis, was die Bestimmung dieser Steine betraf.
    Ich stieg wieder heraus und fuhr fort, das geheimnisvolle Gefährt zu untersuchen. Es war, recht betrachtet, durchaus nicht in dem beklagenswerten Zustand, in den Regen, Wind und Sonne es hätten versetzen können. Das Holz war sogar sehr gut erhalten; es schien, als hätte jemand es von Zeit zu Zeit mit einem schützenden, öligen Anstrich versehen, so wie ich es bei den römischen Fischern auf dem Tiber beobachtet hatte. Ich bemerkte sodann, dass die Oberfläche des Rumpfes nicht wie bei Fischerbooten eben und glatt geschliffen war. Sie bestand nämlich aus Röhren, die vom Bug bis zum Heck über die ganze Länge des Schiffes liefen, als wäre der Rumpf aus nichts anderem gemacht als aus einem Bündel Leitungen.
    Ich klopfte mit dem Fingerknöchel gegen eine der Röhren. Sie klang hohl und hatte zum Bug hin eine profilierte Öffnung. Am Heck hingegen, also sozusagen am anderen Ende der Röhren, erblickte man trompetenförmige Öffnungen, die das, was am Heck eingesammelt wurde, in die Höhe zu leiten schienen, mithin in Richtung des Segels, welches das ganze Schiff überdeckte.
    Ich warf einen Blick auf den noch kerzengrade aufgerichteten Mast, auf den stolzen Bug und das kleine, zierliche Oberdeck. Hier und dort hatte man Balken ersetzt, Lecks geflickt, Nagelungen nachgebessert. Wenn man es recht besah, war dieses Schiff weder beschädigt noch baufällig. Es war lediglich abgetakelt, als hätte es am Ort Ohne Namen ein schützendes Hafenbecken gefunden und vielleicht auch einen emsigen Schiffsjungen, der es wartete.
    «In jeder Hinsicht ein gepflegtes kleines Schiff», bemerkte ich, gedankenverloren über den Kiel streichend, der alles andere als abgenutzt aussah.
    «Des is halt an echts Noarrnschiff!», erklärte der Wächter mit einem groben Lachen.
    Bei diesem Satz zuckte ich zusammen.

    Ich wollte zurück. Die Ereignisse des Nachmittags hatten mich erschöpft. Überdies musste ich zu Fuß gehen: Simonis war mit dem Karren geflüchtet, um den Kleinen in Sicherheit zu bringen. Mich erwartete eine Wanderung von mehreren Stunden. Morgen würde ich wiederkommen, um mit der Arbeit zu beginnen. Das teilte ich Frosch mit und bat ihn, bis dahin auf das Werkzeug achtzugeben, das ich bei meiner Flucht im Keller zurückgelassen hatte.
    Bevor ich hinausging, warf ich noch einen Blick auf das Gebäude. Wie bereits erwähnt, hatte es kein Dach. Doch erst in diesem Moment gewahrte ich, wie unendlich groß die Anlage war, so breit, lang und hoch wie ein ganzer Palast.
    «Was ist … Was dies sein?», fragte ich erstaunt.
    «Da Boinschpüplotz», antwortete Frosch.
    Ein Ballspielplatz? Und er belehrte mich (wiewohl ich erneut Schwierigkeiten hatte, seine mundartlichen Äußerungen zu verstehen), dass zur Zeit des Kaisers Maximilian, der den Ort Ohne Namen gegründet, bei den Hohen Herrschaften das aus Italien importierte Ballspiel Furore machte. Die Spieler, die bei diesem Gaudium aufeinandertrafen, waren mit einer Art hölzerner Rüstung gewappnet und machten sich gegenseitig einen ledernen Ball streitig. Sie stießen denselben mit kanonengleichen Schüssen an und versuchten so, Oberhand über den Gegner zu gewinnen. Lachend fügte Frosch hinzu, sich die Lungen zu lädieren, um anderen einen Ball abzujagen, sei blödsinnig und eine Sache, die sich jedenfalls nicht für den Hofstaat eines Kaisers schicke, und natürlich musste ein solches Spiel für immer in Vergessenheit geraten, was ja dann auch geschehen sei. In jenen langvergangenen Zeiten jedoch scheine diese Kurzweil eine nicht unbeträchtliche Gefolgschaft gehabt zu haben, andernfalls

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