Verkehrt!
Dusche.
Ich drehe mich um und gehe auf sie zu, als ihre Tochter. Die Haare hat sie nass zurückgekämmt, ungeschminkt, in einem kurzen weißen Hotelbademantel. Mir ist, als sähe ich sie zum ersten Mal wirklich.
– Hast du was?, fragt sie kritisch und beäugt mich auf meinen Gesundheitszustand hin.
– Nein, nein.
– Wirklich? Du hast so geguckt …
– So gucke ich nun mal.
– Keine Nachwirkungen vom Unfall?
– Nein, alles in Ordnung.
Ich gehe an ihr vorbei in das Wohnzimmer, sie folgt mir.
– Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist.
– Ich auch.
– Rrrrrotzekacke. Rrrrrotzekacke.
– Theo! Was sagst du denn da?
– Rrrrrotzekacke. Rrrrrotzekacke.
– Theo, still!
– Rrrrrotzekacke. Rrrrrotzekacke.
– Elizabeth! Hat er das von dir?
– Nein, niemals!
– Gefangen in dieserrrr Welt des Wahnsinns stehe ich, derrr Silberrrrne Surrrrfer.
– Was redet der eigentlich für einen Schwachsinn?
– Weißt du doch, aus meinem Film.
– Du bist in einem Film?
– Meinem Lieblingsfilm, Elizabeth!
Breathless!!
–
Breathless
, wiederhole ich stumpf den Titel, der mir rein gar nichts sagt.
– Das ist auch so ein Verrrrrückter, auch so ein Verrrückter, auch so ein Verrrrückter? Rrrrotzekacke.
– Na? Hat er das von dir?
– Ich schwöre! Ich habe nichts gesagt!
– Rrrrrrrrotzekacke. Rrrrrotzekacke.
– Sei still, Theo, sofort, still, stil, still!
Der Vogel wendet sich tatsächlich ab und schweigt.
Sie hält mich an der Schulter fest, – Du hast es nicht gesagt, nicht jetzt, aber in seiner Gegenwart, und jetzt sagt er es.
– Ich habe das Wort von ihm!
– Lüge nicht!
– Das ist doch nicht unwahrscheinlich, ich weiß nicht, wo ich es herhabe. Das kann genauso gut von Theo sein.
– Quatsch nicht.
– Wo ist Elizabeth? Wo ist Elizabeth?
– Siehst du, Mutti, blind und taub ist er auch noch.
– Wo ist Elizabeth? Wo ist Elizabeth?
– Hier bin ich, huu-huuu, Theo!, und dazu wedele ich mit meinen Armen zu ihm rüber.
– Wo ist Elizabeth? Wo ist Elizabeth?
– Wir sollten ihn einschläfern lassen, schlage ich vor.
– Das einzige Erbe von Opa?
Oh Shit.
– Ich bin ein Desperrrrado.
Mutti lässt mich stehen und geht zu dem Beo. Sie spricht in Babysprache zu ihm, – Was hast du denn, Schnuckelchen, hörst du mich, siehst du mich, geht es dir gut, gut, gut, guuuut?
– Guuut. Guuut, krächzt Theo zurück.
– Er hört noch ganz gut, sagt sie zu mir, ohne mich anzuschauen.
Theo hüpft einen Ast höher.
– Ich gehe mich duschen, verabschiede ich mich im Flur.
– Vergiss nicht, dich einzucremen, wie die Frau Doktor gesagt hat.
– Nein, nein.
So weit, so gut. Nächste Frage: Wo ist mein Zimmer? Neue Klamotten sind angesagt. Am Ende des einen Flurs steht meine Reittasche. Ich habe Glück, hinter der Tür ist mein Zimmer. Und an der Dusche bin ich gerade vorbeigelaufen. Das wäre geklärt.
Elizabeths Zimmer ist der Hammer. Aufgeräumt wie bei der Armee.
Ich muss lachen, als ich die gefaltete Wäsche in den Schränken sehe.
29
Als Ralf geht, kommt Harry rein. Die beiden geben sich die Türklinke in die Hand und nicken sich kurz zu.
– Habt ihr euch gestritten?, fragt mich Harry im Vorbeigehen.
– Warum?
– Der ist sonst gesprächiger.
– Nein.
Kaum ist Harry in der Küche, ruft er, – Wo kommt denn das Obst her?
Hat der nicht mein Auge gesehen? Kein Kommentar von ihm.
– Von mir, sage ich und bleibe im Türrahmen stehen.
Er wäscht sich die ölverschmierten Hände über dem dreckigen Geschirr in der Spüle und reibt sie an dem ölverschmierten braunen FC -St.-Pauli-T-Shirt trocken, auf dem sich Mittelfinger und Zeigefinger kreuzen, um zu zeigen, wie eng man mit dem Verein verbunden ist, – Wo ist die Demo?
– Welche Demo?
– Gegen die rechten Schweine!
– Hä?
– Sind die wieder auf dem Marktplatz? Ich hoffe nicht morgen. Da werde ich meine neue Skulptur beenden. Dino Sapiens.
– Wie?
– Dino Sapiens. So heißt sie, Dino Sapiens.
Wo bin ich hier bloß gelandet? Wovon redet der?
– Und?, fragt Harry, – Wozu sind die Wurfgeschosse?, dabei deutet er auf den Tisch mit dem Obst.
– Sie sind zum Essen.
– Essen?
Die Studentin federt herein, – Geil, Orangen!
Sie schnappt sich eine und pellt sie. Harry nimmt sich einen Apfel, rubbelt ihn am T-Shirt mit Öl voll und beißt krachend rein.
Ich frage ihn, – Sag mal, willst du gar nicht wissen, was mit meinem Auge
Weitere Kostenlose Bücher