Verlangen
habe ich mich getäuscht.«
»Du hast mir das Bild von der Strelitzia reginae geschenkt, und dann hast du dich mir ohne zu zögern hingegeben. Ich dachte, du würdest mich lieben. Als deine Tante an der Tür klopfte, war mein erster Gedanke, dich zu schützen. Was hätte ich denn tun sollen? Hätte ich mich weigern sollen, dich zu heiraten?«
»Bitte verdreh nicht meine Worte. Du hast deine Chance gesehen und sie genutzt. Das brauchst du gar nicht zu leugnen.«
»Ich leugne ja gar nicht, daß ich dich heiraten wollte. Ich hätte wohl kaum letzte Nacht deinen und auch meinen Ruf aufs Spiel gesetzt, wenn ich mir nicht sicher gewesen wäre, daß wir früher oder später heiraten würden. Es war Pech, daß deine Tante uns entdeckte und die Geschehnisse sich so überstürzten, aber eine Heirat wäre im Endeffekt sowieso unvermeidbar gewesen.«
»Sie wäre durchaus zu vermeiden gewesen«, fauchte Victoria.
»Vicky, sei vernünftig. Dir muß doch klar sein, daß wir nicht mehr lange so hätten weitermachen können. Es war bereits schwierig genug, bevor wir letzte Nacht zusammen fort fuhren. Die Leute begannen bereits, über uns zu reden, und du hast nicht das Geringste unternommen, um die Gerüchte zum Verstummen zu bringen. Wir sind gefährliche Risiken eingegangen wegen deiner mitternächtlichen Eskapaden. Früher oder später wären wir entdeckt worden, und dann hätten wir sowieso keine Wahl mehr gehabt. Außerdem bestand ja auch die Möglichkeit, daß du schwanger geworden wärest, hast du daran schon einmal gedacht?«
»Weshalb konntest du mir denn nicht die Wahrheit sagen, bevor das Ganze anfing?« Sie hörte, wie ihre Stimme den hysterischen Ton eines wütenden Fischweibs annahm. Verzweifelt versuchte sie, die Kontrolle über sich zu behalten.
»Offen gesagt habe ich dir nichts erzählt, weil ich dich gewinnen wollte, und ich fürchtete, daß du mir angesichts meiner finanziellen Situation keine Chance geben würdest. Du sprachst dich so vehement gegen die Ehe aus, und du warst so überängstlich, wenn es um potentielle Mitgiftjäger ging, daß ich keine andere Möglichkeit hatte. Du wirst niemals wissen, wie schwer die letzten paar Wochen für mich waren, Vicky. Das mindeste, was du zeigen könntest, wäre Rücksichtnahme und Freundlichkeit.«
Sie starrte ihn ungläubig an. »Freundlichkeit? Wie kannst du es wagen, zu versuchen, mein Mitleid zu erregen?«
»Warum nicht? Du bist schließlich bereit, allen anderen gegenüber freundlich zu sein, sogar Lady Atherton. Ich sah, wie du versucht hast, sie zu trösten, als sie sich im Gewächshaus an deiner Schulter ausgeweint hat.« Lucas ließ sie abrupt los und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Weshalb sollte ich nicht versuchen, auch ein wenig von deiner Freundlichkeit abzubekommen? Schließlich bin ich dein Mann, und diese Rolle wird weiß Gott nicht einfach werden.«
»Und was hast du mir im Gegenzug zu bieten?«
Er atmete tief ein. »Ich werde mein möglichstes tun, dir ein guter Ehemann zu sein. Du hast mein Wort.«
»Und wie genau stellst du dir deine Rolle als guter Ehemann vor?« Sie rieb die Stellen ihrer Unterarme, an denen Lucas’ Finger rote Flecken hinterlassen hatten. »Offensichtlich wirst du mich wohl kaum finanziell unterstützen. Nach Aussage deiner ehemaligen Geliebten bin ich wohl diejenige, die das Kapital in diese Ehe einbringt. Du gibst mir einen Titel, das gestehe ich dir zu. Aber Titel haben mich nie besonders interessiert.«
Lucas’ Gesicht verhärtete sich. »Außerdem habe ich dir das Abenteuer ermöglicht, das du gesucht hast.«
»Du meinst, du hast mich mit Abenteuern in die Falle gelockt.«
»Vicky, hör mir zu...«
»Eines muß ich wissen, Lucas. Beabsichtigst du, mit Lady Atherton ein Verhältnis anzufangen, jetzt wo du die Sache mit der Heirat erledigt hast?«
»Gott, nein. Es ist klar, daß du mich momentan nicht gerade für sonderlich rechtschaffen hältst, aber wenn du Jessica wirklich gut kennen würdest, wüßtest du, daß allein die Vorstellung von einer Affäre mit ihr außer Frage steht.«
Victoria fuhr zusammen. »Verzeih mir. Natürlich. Lady Atherton ist ein Ausbund an Tugend. Sie würde es sich nicht träumen lassen, sich auf eine heimliche Liaison mit dir einzulassen.«
»Genau.«
»Sie ist ein so nobles Geschöpf. Offensichtlich hat sie nicht eine Sekunde gezögert, ihre Pflicht zu erfüllen, statt ihrem Herzen zu folgen, als sie vor vier Jahren Lord Athertons Antrag annahm und nicht
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