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Verlangen

Titel: Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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bestimmt erinnern, hat sie jetzt einen Ehemann. Ich werde mich um sie kümmern. Ich bin ihr viel näher als Sie.«
    Nan errötete und nickte schnell. »Ja, Sir. Ich geh’ dann jetzt.« Sie machte einen flüchtigen Knicks und eilte den Gang hinab.
    Lucas schloß die Tür und kehrte zurück ans Bett. Victoria hatte die Arme um ihre Knie geschlungen und beobachtete ihn mit großen Augen.
    »Entschuldige bitte, Vicky. Ich wollte dich nicht so unsanft wecken«, sagte Lucas.
    »Was hatten Sie überhaupt in meinem Zimmer zu suchen?« fragte sie bissig.
    Er seufzte. Der kurze Moment ihrer Verwundbarkeit war bereits vorüber. »Ich weiß, es wird dich schockieren, Vicky, aber du hast jetzt einen Ehemann, und Ehemänner haben das Recht, sich in den Schlafzimmern ihrer Frauen aufzuhalten.« Er durchquerte den Raum und setzte sich neben ihr Bett. Ihren feindlichen Blick ignorierte er. »Deine Zofe sagt, du leidest in letzter Zeit häufig unter Alpträumen? Gibt es deiner Meinung nach dafür einen bestimmten Grund?«
    »Nein.«
    »Ich frage nur, weil ich ebenfalls ab und zu unangenehme Träume habe«, sagte er sanft.
    »Ich nehme an, die hat jeder von Zeit zu Zeit.«
    »Ja, aber ich habe immer denselben Traum. Und du?«
    Sie zögerte. »Ja.« Dann, wahrscheinlich in einem Versuch, den Gegenstand ihrer Unterhaltung zu wechseln, fragte sie schnell: »Wovon träumen Sie, Graf?«
    »Davon, auf einem Feld voller toter und sterbender Männer unter einem toten Pferd begraben zu sein.« Lucas atmete tief durch und betrachtete die flackernde Kerze. »Ein paar dieser Männer sterben sehr langsam. Jedesmal, wenn ich diesen Traum habe, höre ich ihr Stöhnen. Und ich muß die Qual ertragen, nicht zu wissen, ob ich selbst auch sterbe, ob einer dieser menschlichen Parasiten, die nach einer Schlacht hervorgekrochen kommen, um die Toten zu berauben, mir einfach den Hals aufschlitzt und so der Sache ein für alle Mal ein Ende macht.«
    Ihr leises, schmerzliches Ringen um Atem und ihre flüchtige Berührung seines Morgenmantels ließen seinen Blick zu ihrem Gesicht wandern.
    »Wie schrecklich«, flüsterte Victoria. »Gütiger Gott, Lucas, wie furchtbar. Dein Traum ist noch schlimmer als meiner.«
    »Wovon träumst du, Vicky?«
    Ihre Finger umklammerten die Decke, und sie sah zu Boden. »In meinem Traum stehe ich immer oben auf einer Treppe. Ein... ein Mann kommt auf mich zu. Er hält eine Kerze in der einen Hand und einen Dolch in der anderen.«
    Lucas wartete. Er spürte, daß mehr dahinter steckte. Etwas in der Art, in der sie bei den Worten >ein Mann< gezögert hatte, vermittelte ihm den Eindruck, daß sie die Gestalt aus ihrem Alptraum kannte. Aber es war offensichtlich, daß sie nicht näher darauf eingehen wollte, und er wollte ihre neue Vertrautheit nicht gefährden, indem er weiter in sie drang.
    Tatsächlich war er ihr heute abend näher gekommen als je zuvor seit der schicksalhaften Nacht, in der sie sich geliebt hatten. Wenn er klug war, würde er sie nicht drängen.
    Strategie , ermahnte er sich. Langfristig kam ein Mann mit Strategie immer weiter als mit Gewalt.
    Er unterdrückte ein Stöhnen und erhob sich. »Fühlst du dich jetzt besser?«
    Sie nickte schnell, ohne ihm jedoch in die Augen zu sehen. »Ja, danke. Es geht mir gut.«
    »Dann wünsche ich dir jetzt eine gute Nacht. Ruf mich, wenn du mich brauchst, Vicky.«
    Er zwang sich, in sein eigenes Zimmer zurückzukehren.

11
    Am folgenden Nachmittag flüchtete Victoria vor dem angespannten, höflichen Schweigen, indem sie sich mit ihrem Skizzenblock in den Wald begab.
    Sie spazierte eine Weile herum, bis sie sich auf einem Hügel unter ein paar Bäumen niederließ, von dem aus sie sich dem unerfreulichen Ausblick auf die heruntergekommenen Ländereien hlngeben konnte. Sie sah die verfallenen Hütten, die holprigen Wege und die mageren Felder. Irgendwo da draußen war Lucas. Er hatte heute nachmittag mit seinem Verwalter eine Besichtigungstour vereinbart.
    Victoria mußte zugeben, daß wahrlich viel zu tun war. Was auch immer man über ihren Ehemann sagen konnte, zumindest schien er ihr Geld einem guten Zweck zuführen zu wollen. Bisher gab es keinerlei Anzeichen dafür, daß er es in Wein, Weib und Gesang zu investieren beabsichtigte.
    Aber schließlich war Lucas trotz seines Rufes, ein geschickter Spieler zu sein, kein leichtfertiger Mensch.
    Sie runzelte die Stirn ob dieser unangenehmen, verwirrenden Gedanken und wandte ihre Aufmerksamkeit den kleinen Pflanzen und Gräsern zu.

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