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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Shampoo? Seife?
    Wir gingen an dem Wasserhahn vorbei bis zu dem Metallgitter, das ich bereits gesehen hatte. Sagan kniete sich in eine Ecke und hob eine kleine Metallplatte hoch, die ich nie bemerkt hätte. Darunter verbarg sich ein dickes Vorhängeschloss. Er zog einen Schlüssel hervor und öffnete das Schloss. Dann schob er das flexible Gitter so weit zur Seite, dass wir hindurchpassten. Wieder spürte ich einen Luftzug aus der Unterwelt im Gesicht, und dieses Mal war nichts mehr zwischen ihr und mir.
    »Lass uns gehen«, sagte Sagan.
    Wir mussten uns vorsehen. Hier und da lagen Betonreste und etwas, das aussah wie Reste von bräunlichen Wespennestern, aber steinhart war.
    »Karst«, sagte Sagan ohne weitere Erklärung.
    Da ich alles sehen konnte, kam ich mir vor, als ob ich einem Blinden folgte. Betonplatten, Betonwände. 80-Liter-Fässer, die laut Sagan voll mit altem Benzin für die Generatoren waren.
    »Seit Jahren kümmert sich niemand mehr darum«, erklärte er. »Das letzte Mal ist länger her als der Fall der Berliner Mauer.«
    »Was ist das hier?«
    »Ein Atombunker. Lass uns weitergehen.«
    Wir gingen immer tiefer hinein. Statt aus Beton bestanden die Wände jetzt aus dicken Gesteinsplatten mit schrägen Bruchlinien. Dann gelangten wir an eine Stelle, wo Gestein wie versteinerte Lava die Wände hinabzulaufen schien. Der Raum war noch größtenteils eben, aber überall waren große Schlackestücke zu sehen. Richtige Stalaktiten. Seitengänge und Tunnel taten sich auf. Löcher im Boden und in der Decke. Wir befanden uns in einer Höhle. In einer echten Höhle.
    »In so etwas war ich noch nie«, sagte ich und brachte kaum ein Flüstern heraus.
    »Das ist der Grund, weshalb sie den Prüfstand aufgegeben haben. Weil er auf einem Höhlensystem gebaut worden war.«
    »Wie weit geht es noch?«
    »Wie weit willst du?«
    »Kann man sich hier drinnen verirren?
    »Oh ja. Das ist ein wahres Höhlenlabyrinth.«
    Neugierig geworden zog ich ihn hinter mir her.
    »Eh, langsam, Emma! Wir müssen aufpassen, dass wir nirgends reinfallen.«
    »Dafür werde ich schon sorgen«, beruhigte ich ihn. Ich hatte die Sonnenbrille abgenommen. »Ich kann alles erkennen.«
    Meine Vampiraugen sahen alles in einer unheimlichen Verfärbung. Die Wände schillerten grün, braun und gelb. Dann wurde es enger. Die Decke schien an dieser Stelle eingefallen zu sein. Wir schoben uns an dem Schutt vorbei. Von nun an ging es bergab. Manchmal mussten wir sogar über Schutt hinwegklettern.
    »Pass auf deine Kleidung auf«, warnte Sagan.
    Doch ich achtete nicht auf ihn und eilte ungeduldig voraus. Die Taschenlampe baumelte in meiner Gürtelschlaufe. Wenig später standen wir in einem Raum von gigantischen Ausmaßen. Die Decke war fast fünfzehn Meter hoch und bildete eine gewaltige Kuppel.
    »Das ist die Grotte«, sagte Sagan und leuchtete mit seiner Lampe nach oben, um mir die dolchähnlichen Formationen über uns und die rund angeordneten Gesteinsschichten zu zeigen, die das Dach wie eine riesige steinerne Zielscheibe aussehen ließen. »Das ganze System ist Teil eines Karst-Grundwasserleiters, der über die Jahrhunderte aber langsam zusammengebrochen ist. Übrig geblieben ist hauptsächlich Kalkstein. Eisenkies und Gips kommen ebenfalls noch vor. Sechsundzwanzig Höhlen gibt es laut einer Karte, aber geologische Untersuchungen haben ergeben, dass es noch mehr sein müssen. Man geht davon aus, dass die Höhlen, in denen wir stehen, in den letzten zehntausend Jahren immer wieder bewohnt waren. Vielleicht auch schon vorher.«
    »Du klingst wie ein Fremdenführer«, sagte ich und leuchtete ihm aus Versehen ins Gesicht.
    »Ist das schlimm?«
    »Nein, wunderbar.« Am liebsten hätte ich seine Hand gedrückt, tat es aber nicht. Als wir immer tiefer hinabstiegen, wurde das Geröll schließlich weniger und Decken und Böden glatter. Stellenweise glänzten sie wie nasser Lehm. Wir gelangten an einen Ort, an dem riesige gerundete Steine zu etwas absolut Unglaublichem führten.
    »Mein Gott, ein unterirdischer See.«
    Fasziniert trat ich näher. Wenn ich bereits den Sumpf für reglos gehalten hatte, wurde ich hier eines Besseren belehrt. Das Wasser war so still, dass man sich fragte, ob sich überhaupt je auch nur ein Molekül bewegte. Als ich aufblickte, hatte ich das Gefühl, die Ewigkeit zu spüren. Es war aufregend und seltsam furchteinflößend zugleich.
    »Was ist?«, fragte Sagan.
    »Ach, mich befällt nur so eine komische Beklemmung. Dinge, die sich

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