Verletzungen
Bemerkung und beendete ihre
Formulierung. Ein medizinisches Notfallprogramm konnte sich keine Fehler leisten, aber die Umstände hatten ihn gezwungen, die Endsequenz der Autodiagnose zu modifizieren. Andernfalls wäre seine holographische Präsenz immer wieder unterbrochen worden, was bei den Nachforschungen in bezug auf das
bioneurale Gewebe zu erheblichem Zeitverlust geführt hätte.
»Die Reaktionsverzögerungen beim Arzt werden immer
schlimmer«, sagte Kes. Zimmerman sah Besorgnis in ihrem Gesicht, und sie galt ihm – an so etwas war er nicht gewöhnt.
Kim beugte sich zum medizinischen Terminal vor. »Es ist mir ein Rätsel. Offenbar kommt es bei ihm zu einer systemischen Reaktion auf die Reserpin-Behandlung.«
Der Doktor winkte und erinnerte die anwesenden Personen daran, daß er zugegen war und alles hörte – auch wenn er keine individuelle Entität im üblichen Sinn darstellte. »Ich bin hier, Fähnrich.«
Kims entschuldigender Blick stellte Zimmerman nicht
zufrieden. Die aktuelle Situation wies überhaupt keine zufriedenstellenden Aspekte auf. Seine Selbstwartung versuchte, die Fehlfunktionen im System mit multiplen Backup-Dateien zu kompensieren, die regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht wurden. Spezielle Logikroutinen überprüften nun die Daten der Entscheidungskomponenten; dreifache Redundanz sollte Fehler ausmerzen. Er hatte alle notwendigen – und möglichen –
Maßnahmen ergriffen, um Fehlfunktionen vorzubeugen, aber trotzdem kam es immer wieder dazu. Das… beunruhigte ihn.
»Reserpin wirkt wie ein Sedativ«, sagte Kes. »Es reduziert die physisch-psychische Aktivität.«
Zimmerman wußte, daß sich die Reaktionszeit seiner Holo-Gestalt um fünf Nanosekunden verringert hatte. »Wie ist es möglich, daß Reserpin in den neuralen Gel-Massen des
Computerkerns mein Programm beeinflußt?«
»Sie selbst haben das Datennetz des Computers mit dem
Zentralnervensystem eines Tiers verglichen«, antwortete Kes.
»Wenn das fehlende Prozessormodul gewissermaßen die
Großhirnrinde ist, so fungiert der Speicherkern als eine Art Hirnstamm: Er empfängt sensorischen Input und bereitet die Bordsysteme auf offensiv-defensive Aktivität vor.«
»Die Kämpfen-oder-fliehen-Reaktion.« Kim bemerkte das
Erstaunen der Ocampa und fügte rasch hinzu: »Ich habe mir die neurologischen Dateien angesehen, die Sie mir zur Verfügung stellten.«
»Hmpf«, machte Zimmerman. Nach den in seinem Programm
gespeicherten Erfahrungswerten erwies es sich beim Umgang mit Patienten manchmal als nützlich, vage zu sein. »Die meisten Fehlfunktionen sind offenbar Reaktionen auf nicht existierende Notfall-Szenarien zuzuschreiben.«
»Ich habe die Verbindungen zwischen den einzelnen Kanälen des ODN gesehen«, ließ sich Kes vernehmen. »Selbst bei lebenden Organismen wissen wir nicht genau, auf welche Weise das Nervensystem mit den anderen Systemen des Körpers
harmonisiert. Trotzdem findet eine solche Harmonisierung statt.
Dem Doktor geht es wie jedem anderen Patienten, dessen Körper verletzt wurde.«
Kim schüttelte den Kopf. »Das kann ich einfach nicht glauben.
Es klingt so, als sei die Voyager lebendig…«
»Lebewesen zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, auf die Umwelt zu reagieren und sich ihr anzupassen. Dieser Definition entspricht auch das Computersystem der Voyager .« Kes gab dem jungen Fähnrich keine Gelegenheit, ihr zu widersprechen. Sie fuhr unverzüglich fort: »B’Elanna hatte recht. Rein theoretisch gibt es zwischen Hilfscomputer und Subprozessoren keine Reflexkontakte. Dennoch reagieren sie wie eine physiologische Einheit.«
»Ich schätze, man könnte es so ausdrücken«, räumte Kim widerstrebend ein.
»Den Beweis dafür haben wir hier vor den Augen.« Kes drehte sich zu Zimmerman um, der ihren aufmerksamen Blick zum Anlaß nahm, ein wenig zurückzuweichen. »Das Programm des Doktors ist eine direkte Manifestation des Computersystems – so wie Emotionen eine direkte Reaktion auf die Wahrnehmung sind.«
Auch Kim musterte nun den Holo-Arzt. »Seine Reaktion
bestätigt die Wirkung des Reserpin auf das ODN. Er funktioniert wieder, doch aufgrund der Impuls-Inhibition ist er nicht so…
wach wie sonst.«
Zimmerman hob die Hand. »Ich glaube, ich verstehe jetzt.« Es gab keine Entscheidungskomponenten für einen solchen Fall, aber die Selbstwartung hatte schon vor geraumer Weile einen besonderen Entscheidungskomplex für Situationen installiert, die sein persönliches Wohlergehen
Weitere Kostenlose Bücher