Verletzungen
Interesse an dieser Diagnose. Selbst in Kim regte sich Sorge. »Setzen Sie sich auf«, sagte er möglichst freundlich. »Damit wir Sie untersuchen können.«
»Ist das unbedingt nötig?« fragte der Holo-Arzt nach einigen Sekunden.
Kim nickte, und daraufhin seufzte Zimmerman noch tiefer als vorher. Er bewegte sich langsam, wie in Zeitlupe, und Kes trat vor, um ihm zu helfen. Der Fähnrich versperrte ihr den Weg, woraufhin sie ihm einen gekränkten Blick zuwarf. Stumm beobachtete Kim, wie sich der Arzt mühsam hochstemmte. Die Beine baumelten über den Rand der Liege, und die Hände zitterten erneut.
»Erinnern Sie sich an die jüngsten Ereignisse?« fragte Kim.
»Ich habe keinen Hirntod erlitten«, entgegnete Zimmerman und sah kurz auf.
Kim vollführte eine beschwichtigende Geste. »Ich weiß. Aber seit einiger Zeit zeichnen Sie sich durch eine gewisse geistige Labilität aus.«
»Das ist also der Grund«, brummte der Doktor. »Deshalb lassen Sie mich nicht mehr arbeiten, oder?«
»Als Sie das letzte Mal die Kontrollen bedienten, haben Sie wichtige Daten gelöscht. So etwas darf nicht noch einmal passieren.«
»Derzeit helfen Sie uns«, sagte Kes sanft, »indem Sie uns die Möglichkeit geben, Sie zu untersuchen.«
»Sie brauchen mich nicht«, kommentierte Zimmerman bitter.
»Sie sind der Erste Medo-Offizier dieses Schiffes«, stellte Kes fest. »Sie wissen, daß wir Ihre Dienste benötigen.«
»Nein, Sie brauchen mich nicht.« Der Arzt wandte sich halb ab.
»Sobald Sie mit mir fertig sind, programmieren Sie einen neuen Arzt. Ich kenne Leute wie Sie! Vermutlich sorgen Sie dafür, daß mein Nachfolger so aussieht wie ich – aber es wird jemand anders sein.«
»Seien Sie unbesorgt«, murmelte Kes in einem beruhigenden Tonfall. »Es wird bestimmt alles gut. Weniger als zwei Prozent aller Kopfverletzungen führen zum Tod.«
»Wie viele derartige Patienten verloren ihre Großhirnrinde?«
konterte der Arzt. »Ich bleibe auf Gedeih und Verderb dem Schiff ausgeliefert. Im Nichts bin ich unterwegs, immer auf Reisen, ohne Heimat…«
Kim erkannte die Symptome: Selbstmitleid, Depressionen, Selbstmordgedanken… Er fragte sich, ob er selbst den Verstand verloren hatte. Ein Computerprogramm wie einen echten
Patienten zu behandeln…
Aber eigentlich blieb ihnen gar keine Wahl.
»Kommen Sie«, sagte der Fähnrich und trachtete danach, aufmunternd zu klingen. »Sie wissen ja, worauf es ankommt.
Bringen wir es hinter uns.«
Zimmerman fügte sich: Er berührte seine Zehen, als Kim ihn dazu aufforderte, tastete anschließend erst mit der rechten und dann auch mit der linken Hand nach seiner Nase. Einige Male griff er daneben, was ihn zu ärgern schien. Als Kes an die Sehne unter der Kniescheibe klopfte, blieb das Bein in Bewegung, bis Kim es festhielt.
»Wollen Sie mir jetzt auch noch Nadeln in die Haut stecken?«
fragte Zimmerman.
»Nein«, sagte Kes und warf Kim einen warnenden Blick zu.
Der Fähnrich gab sich mit den bisherigen
Untersuchungsergebnissen zufrieden. »Was halten Sie davon?«
»In der medizinischen Datenbank habe ich einen Text gefunden, der Symptome beschreibt, die von Reserpin hervorgerufen werden und der Parkinsonschen Krankheit ähneln:
vornübergebeugte Haltung, langsame Bewegungen, leeres
Gesicht…«
»Genau das haben wir hier.«
»Die Parkinsonsche Krankheit beruht normalerweise auf
Läsionen der Basalganglien. Doch ähnliche Symptome ergeben sich, wenn das Dopaminniveau im Nervengewebe sinkt.«
»Sollten wir mit einer Dopamin-Behandlung beginnen?«
»Derzeit versuchen wir, die Weiterleitung von Nervenimpulsen im neuralen Gewebe zu inhibieren«, betonte Kes. »Mit der Verabreichung von Dopamin erreichen wir genau das Gegenteil.«
»Oh.« Die verdrießliche Miene des Arztes gefiel Kim ganz und gar nicht. »Können wir ihm sonst irgendwie helfen?«
Kes schüttelte den Kopf. »Das ist erst möglich, wenn die normale Funktion der bioneuralen Massen wiederhergestellt wird.«
»Sie könnten einen Teil meines Thalamus betäuben«, schlug der Arzt vor. »Oh, natürlich. Ich bin ja nur ein Hologramm und habe gar keinen Thalamus.«
»Lassen Sie deshalb nicht den Kopf hängen«, sagte Kim.
Einerseits erschienen ihm die Worte absurd, doch andererseits spürte er auch so etwas wie Mitgefühl.
Kes legte Zimmerman die Hand auf die Schulter. »Ich weiß, daß Sie so etwas nicht gern hören, aber vielleicht wäre es besser, Ihren Subprozessor vom Computerkern zu separieren. Es handelt sich
Weitere Kostenlose Bücher