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Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Titel: Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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gewesen. Nicht mal daran gedacht habe ich.«
    Henriksen antwortet nicht. Auf seiner blanken Kopfhaut sind Schweißperlen zu sehen.
    »Richte dich darauf ein, dass du irgendwann mit einer Erklärung – in welcher Form auch immer – kommen musst«, sagt Ullevik.
    »Aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht aktuell«, entgegnet Hatlem. »Wir dürfen auf keinen Fall die Erwartung wecken, dass Trine irgendwann auch nur irgendetwas sagen wird.«
    »Nein, natürlich nicht«, lenkt Ullevik ein. »Ich meine nur, dass du noch einmal genau überlegen solltest, was du an dem Tag gemacht hast. Neben wem hast du beim Essen gesessen? Mit wem hast du gesprochen? Wann bist du ins Bett gegangen? Hast du ein Alibi? Solche Dinge eben. Je detaillierter du rekonstruieren kannst, was du am 9. Oktober getan hast, umso besser. Und bevor du überhaupt etwas sagst, musst du dir ganz sicher sein. Wenn sie dich bei dem kleinsten Fehler erwischen, werden sie alles andere, was du bis dahin gesagt und getan hast, doppelt kritisch hinterfragen.«
    Trine antwortet nicht. Sie schließt die Augen und hängt ihren eigenen Gedanken nach. Dann reißt sie die Augen wieder auf. »Was hast du gerade gesagt?«
    »Wie bitte?«
    »Hast du 9. Oktober gesagt?«
    »Ja.«
    Ihr wird plötzlich warm. Schrecklich warm. Das kann nicht sein, denkt sie. Es kann doch nicht sein, dass jemand das herausgefunden hat …
    »Was ist?«, fragt Katarina Hatlem. »Du bist so blass.«
    Trine ist wie erstarrt.
    Das ist eine Falle, denkt sie. Das ist verdammt noch mal eine Falle.
    11
    Henning duscht schnell, isst Bohnen mit Tomatensauce direkt aus der Dose und macht sich dann auf den Weg in Richtung Grønland zur Redaktion von 123nyheter . Es ist ein grauer Morgen. Er denkt an seine Schwester und an die Medienhetze, die sie in den nächsten Tagen wird aushalten müssen. Eigentlich hat es keinen Sinn, jetzt an etwas anderem zu arbeiten. Die Startseiten der Onlinezeitungen werden in den nächsten Tagen ja doch nur Trine gewidmet sein.
    Trotzdem. Die Polizei hat um zehn eine Pressekonferenz angesetzt – eine Veranstaltung, die Henning unter normalen Umständen auslassen würde, wenn sie nicht aller Wahrscheinlichkeit nach von Polizeichefin Pia Nøkleby geleitet würde. Henning hat mit ihr noch ein Hühnchen zu rupfen.
    Der Anblick, der sich ihm bietet, als er die graue Treppe zur Redaktion von 123nyheter emporsteigt, lässt ihn an einen Ameisenhaufen denken. Seine Kollegen rennen wie aufgezogen und mit hektischen Blicken hin und her und hacken wie wild auf ihre Tastaturen ein. Der immer gleiche Wahnsinn. Den Grund dafür kennt er.
    Heidi Kjus, die Redaktionschefin, stürmt auf ihn zu, sowie sie ihn in dem Gewimmel entdeckt. Ihre Stimme hat einen metallisch scharfen Klang und erinnert ihn an eine Hundetrainerin. Sie trägt einen kurzen dunkelblauen Rock mit passender Jacke. Wäre sie nicht Journalistin, noch dazu seine Chefin, würde sie ebenso gut in eine Anwaltskanzlei passen.
    Henning ist sich sicher, dass sie etwas zu dem Fall sagen will, über den er in der letzten Nacht geschrieben hat. Stattdessen bleibt sie vor ihm stehen und sieht sich verschwörerisch um. Die Pulsader an ihrem Hals pocht sichtlich, und ihre Wangenknochen wirken noch markanter als sonst. »Mir ist da etwas in den Sinn gekommen.«
    Henning wartet darauf, dass sie weiterspricht.
    »Du weißt ja sicher, dass …«
    Heidi sieht auf, als könne die Luft in dem Redaktionsraum ihr die richtigen Worte zuspielen. Jetzt ahnt Henning, was kommen wird.
    »Deine Schwester ist nicht zu erreichen.« Sie sieht ihn wieder an. Der sonst so eisige Blick wirkt ungewohnt freundlich. »Hast du heute schon mit ihr gesprochen?«
    Er schnaubt, beginnt fast zu lachen. »Ich habe schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihr, Heidi.«
    »Klar, aber …«
    »Und selbst wenn ich Kontakt zu ihr hätte, könnte ich sie jetzt nicht anrufen, das weißt du ganz genau. Ich kann nicht an einer Story arbeiten, die mit ihr zu tun hat.«
    »Nein, natürlich nicht. Aber ich dachte, du könntest vielleicht …« Ihr Blick beginnt wieder herumzustreifen.
    »Du dachtest, dass ich versuchen könnte, trotzdem Verbindung mit ihr aufzunehmen.« Er mustert Heidis Gesicht in Erwartung irgendeiner Reaktion. Und sie kommt. Der Blick ist scharf, erst ein wenig beleidigt, dann aggressiv.
    Er schüttelt den Kopf. »Selbst wenn ich ihre Nummer hätte, was nicht der Fall ist, bezweifle ich, dass sie ans Telefon gehen würde, wenn ich sie jetzt anriefe. Trine

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