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Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Titel: Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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Kjær immer noch nichts sagt. »Von dem haben Sie gehört, oder?«
    »Natürlich. Aber ich erinnere mich nicht an den Vorfall.«
    »Sind Sie sich da sicher? Es wäre gut, wenn Sie noch einmal nachdenken könnten. Es ist, wie gesagt, sehr wichtig für mich.«
    »Das verstehe ich«, sagt Kjær. »Aber ich bin mir ganz sicher. Und selbst wenn ich mich erinnern würde, dürfte ich nicht mit Ihnen darüber reden.«
    »Okay, verstehe, aber …«
    »Ich muss jetzt los.«
    Henning will protestieren, sieht dann aber ein, dass es sinnlos ist. Die Leitung ist bereits tot.
    21
    Die Pflegerin Pernille Thorbjørnsen sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen auf der Stuhlkante und beugt sich vor. Sie hat ein rundes Gesicht und in beiden Wangen Grübchen. Ihr braunes Haar ist über dem Nacken mit einem Haargummi zusammengefasst.
    Sie haben sich in ein Sitzungszimmer in der ersten Etage gesetzt, wo zwei Ikea-Tische zusammengeschoben wurden.
    »Danke, dass Sie so kurzfristig kommen konnten«, sagt Bjarne.
    »Ach, keine Ursache«, sagt sie, lächelt und lehnt sich zurück.
    »Wie lange haben Sie gestern gearbeitet?«
    »Meine Schicht war gegen fünf zu Ende.«
    »Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen, das von den gewohnten Abläufen abgewichen ist? Ich denke dabei vorrangig an Patienten oder Angestellte, die sich anders benommen haben als sonst. Oder Besucher.« Bjarne breitet die Arme aus. »Im Moment ist alles von Interesse«, fügt er hinzu.
    Thorbjørnsen massiert ihre Finger, schiebt sich eine Haarsträhne hinters Ohr und verschränkt die Arme vor der Brust. »Also, ich weiß nicht«, beginnt sie. »Mir fällt nichts Konkretes ein. Ich habe schließlich gearbeitet und nicht gewusst, dass ich auf irgendwas Besonderes achten soll.«
    »Das verstehe ich. Aber denken Sie noch einmal konzentriert nach. War irgendjemand aggressiver oder gereizter als sonst, ruhiger oder exaltierter?«
    Thorbjørnsen sieht ins Leere. »Ich glaube nicht.«
    Bjarne wartet, bis er sich ganz sicher ist, dass Thorbjørnsen ihre Speicherkarte abgefragt hat.
    »Waren Sie hier, als die ehrenamtlichen Mitarbeiter gekommen sind?«
    »Ja, aber bei der Veranstaltung selbst war ich diesmal nicht dabei.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich etwas anderes zu tun hatte. Wir haben hier eine Menge Patienten, wissen Sie. Da können wir nicht immer bei den Veranstaltungen dabei sein. Außerdem reicht der Platz auch gar nicht für alle.«
    »Dann wissen Sie also nicht, ob Erna Pedersen gestern an dem Treffen teilgenommen hat?«
    »Doch, das weiß ich. Ole Christian hat mir gesagt, dass sie nicht dabei war.«
    »Ole Christian – meinen Sie damit Ole Christian Sund?«
    Thorbjørnsen nickt.
    »Wann haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Gestern Abend.«
    Bjarne sieht sie lange an.
    Ihre Hand geht zur Wange, die Nägel kratzen an einem dunkelbraunen Muttermal.
    »Ich habe gehört, dass es auf Station 4 gestern Nachmittag einen Streit gegeben haben soll.«
    Thorbjørnsen blickt überrascht zu Bjarne hinüber.
    Da sie seine Behauptung nicht kommentiert, fährt er fort: »Haben Sie davon etwas mitbekommen?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    Bjarne versucht, ihren Blick einzufangen, aber Thorbjørnsen sieht schon wieder weg.
    »Es gibt immer mal wieder Streit«, sagt sie schließlich und schiebt das Kinn vor. »Das heißt aber noch lange nicht, dass jemand von der Station alten Frauen Stricknadeln in die Augen bohrt. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass einer von uns oder von den Patienten das getan hat?«
    »Es ist zu früh für solche Annahmen«, antwortet Bjarne, verblüfft über den plötzlichen Widerstand in ihrer Stimme. Er kommt aber nicht mehr dazu, weiter darüber nachzudenken, weil Ella Sandland an die Tür klopft und ihm mit einem Blick signalisiert, dass sie ihn sprechen will.
    Bjarne ist verärgert über die Störung. Das sollte während einer Befragung nicht passieren. Andererseits musste es wichtig sein, da Sandland ihn sonst nicht unterbrechen würde. Er entschuldigt sich und bittet Thorbjørnsen, kurz zu warten, bevor er auf den Flur hinausgeht und die Tür hinter sich schließt.
    »Was ist?«
    Sandlands Blick ist ernst. »Ich muss dir was zeigen.«
    22
    Am liebsten hätte Henning gleich noch einmal bei Andreas Kjær angerufen, aber dann überlegt er es sich anders. Vielleicht muss Kjær ja zur Arbeit oder mit seinem Hund raus. Oder er antwortet einfach nicht gern mehrmals auf die gleiche Frage. Wenn Henning jetzt noch einmal anriefe, machte er vielleicht ganz dicht.
    Henning ist

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