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Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Titel: Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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sich getroffen haben? Kam sie Ihnen irgendwie ängstlich vor? Nervös?«
    Emilie denkt nach. »Nein, sie war wie immer. Hat rumgealbert und gelacht wie üblich.«
    »Sie hat nicht den Eindruck auf Sie gemacht, als hätte sie vor irgendetwas oder irgendjemandem Angst?«
    »Nein.« Emilie muss fast lachen und wischt sich mit dem Handrücken die Nase. »Sie war fröhlich und gut drauf.«
    Sie hört, dass der Polizist sich Notizen macht.
    »Haben Sie darüber gesprochen, was sie nach Ihrem Treffen vorhatte?«
    »Nein, sie wollte nach Hause. Vorher noch einkaufen.«
    »Mehr nicht? Sie hat nicht erwähnt, ob sie im späteren Verlauf des Tages noch etwas unternehmen wollte?«
    »Nein, darüber haben wir nicht gesprochen«, antwortet Emilie.
    »Ist Ihnen aufgefallen, ob jemand Sie in dem Café beobachtet hat?«
    Emilie versucht, sich zu erinnern, ihr kommt aber kein Gesicht in den Sinn.
    »Wie spät war es, als Sie das Café verlassen haben?«
    »Gegen eins, schätze ich.« Emilie hört selber, wie dünn ihre Stimme klingt, sie räuspert sich und versucht, lauter zu sprechen.
    »Wie gut wissen Sie über das Leben Bescheid, das Ihre Freundin führte?«
    »Wie meinen Sie das?«, fragt Emilie.
    »Waren Sie eine Freundin, der Johanne alles anvertraute?«
    »Ja, ich denke schon.«
    »Glauben Sie, sie hätte Ihnen erzählt, wenn sie in irgendwelchen Schwierigkeiten gesteckt hätte?«
    Ein brennendes Stechen verpflanzt sich aus ihrem Magen in die obere Körperhälfte. Allein der Gedanke, dass Johanne etwas vor ihr geheim gehalten hätte, Probleme, bei deren Lösung sie ihr hätte helfen können, treibt ihr neuerlich Tränen in die Augen. Sie kneift die Augen zu, spürt die Feuchtigkeit auf den glühenden Wangen, ehe ihr die Tränen vom Kinn tropfen.
    »Ja, da bin ich sicher«, stottert sie.
    »Wie war es mit Männern? Einer Beziehung?«
    Emilie räuspert sich noch einmal. »Tja, über das Thema haben wir natürlich immer geredet.«
    Der Polizist scheint sich zu bewegen, womöglich ist es der Stuhl, auf dem er sitzt, der knarrt. »War sie aktuell mit jemandem zusammen?«
    »Nein, sie hatte schon lange keinen Freund mehr. Ich weiß allerdings, dass sie sich ab und zu mit Männern getroffen hat, aber das war nie etwas Ernstes.«
    »Sie hat niemanden Spezielles erwähnt, von dem sie – oder der von ihr – angetan gewesen wäre?«
    Emilie schüttelt den Kopf, bis ihr einfällt, dass der Beamte sie ja nicht sehen kann. »Mir fällt niemand ein.«
    »Okay«, sagt der Polizist und macht wieder eine Pause. »Wie lange ist es her, dass Sie das letzte Mal bei ihr zu Hause waren?«
    Emilie versucht, sich zu entsinnen. »Schon eine ganze Weile. Wir besuchen einander nicht mehr so oft zu Hause. Ich wohne in Jessheim, habe ein kleines Kind und meine Arbeit. Und sie hat ihren Kram in Oslo. Hatte …« Ihre Stimme bricht, sie schluchzt und verliert die Kontrolle über ihre Mimik. Eine Welle des Zorns und der Trauer schwappt in ihr hoch. Sie drückt die Decke fest zusammen und schluchzt unartikuliert.
    Der Polizeibeamte sagt nichts, bis Emilie sich wieder einigermaßen beruhigt hat.
    »Entschuldigung«, sagt sie schließlich.
    »Machen Sie sich keine Gedanken. Sagen Sie einfach, wenn es wieder geht.«
    »Es geht, ich bin nur …« Emilie weiß nicht, wie sie den Satz beenden soll.
    »Das verstehe ich«, sagt der Beamte und wartet einen kleinen Moment, ehe er die nächste Frage stellt. »Im Wohnzimmer Ihrer Freundin hing das Foto eines kleinen Jungen. Wissen Sie, welches Bild ich meine?«
    »Das kann nur das Foto von Sebastian sein.«
    »Wer ist Sebastian?«
    »Mein Sohn«, sagt Emilie. »Johanne ist, nein, war Sebastians Patentante. Wir haben ihr letztes Jahr zu Weihnachten ein gerahmtes Foto von ihm geschenkt.« Sie nimmt den Hörer in die andere Hand und wischt sich mit einem Zipfel der Decke über das Gesicht.
    »Meine nächste Frage mag Ihnen möglicherweise merkwürdig vorkommen, Emilie, aber ich muss sie Ihnen stellen. Gibt es eventuell einen Grund dafür, dass jemand wütend auf Ihren Sohn ist?«
    Emilie hebt den Blick. »Auf Sebastian? Wieso fragen Sie das?«
    »Beantworten Sie mir einfach nur die Frage.«
    »Was hat mein Sohn damit zu tun?«
    Der Polizist gibt ihr keine Erklärung.
    Eine unangemeldete Aggression schleicht sich in ihre Stimme. »Nein«, sagt sie hart. »Sebastian ist zweieinhalb Jahre alt. Er lebt noch nicht lange genug, um jemanden gegen sich aufzubringen, außer mich und meinen Partner.«
    »Verstehe«, sagt der

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