Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)
etwas herumkaut.
»Ich würde gerne ein oder zwei Worte mit demjenigen wechseln, der am Montagabend hier gearbeitet hat«, sagt Henning.
Der Mann kaut weiter.
»Können Sie mir sagen, wer das war?«
»Möglich. Warum wollen Sie mit ihm reden?«
»Weil ich wissen will, wer von dem Apparat dort ein Fax geschickt hat«, sagt Henning und zeigt nach links auf ein Faxgerät. »Es ist wichtig für jemanden, der mir … Es ist sehr wichtig für mich. Ich wüsste es sehr zu schätzen, wenn Sie mir helfen könnten.«
Der Mann kaut weiter, während er Henning mit leicht schräg gelegtem Kopf mustert. Dann sieht er sich im Raum um. Es ist niemand an den Tischen. Vor dem Eingang geht ein Mann am Stock vorbei.
»Wie wichtig ist es Ihnen?«
Henning zögert einen Moment, ehe er einen Fünfhundertkronenschein aus der Hosentasche zieht. Der Mann nimmt den Schein. Sieht ihn sich an. Dann geht er ins Hinterzimmer und bleibt lange weg. Hennings Stirn wird warm, als schließlich ein anderer Mann heraustritt. Die gleiche Hautfarbe. Die gleichen kurzen Haare und der gleiche Bart.
Er nickt Henning kurz zu, was der als grünes Licht deutet. Deshalb fragt er den Mann, auf dessen Namensschild Sheraz steht, ob er einen Blick in den Computer werfen dürfte, um zu sehen, wer am Montag im Internetcafé Dienst hatte. Sheraz sieht ihn müde an und schüttelt den Kopf. »Das geht nicht.«
»Na dann.«
Im Grunde hatte er damit gerechnet. Also Plan B.
Henning öffnet seine Schultertasche und nimmt einen Stapel Papiere heraus, die er ausgedruckt hat, bevor er die Redaktion verlassen hat.
»Ich würde Ihnen gerne ein paar Gesichter zeigen«, sagt er. »Sagen Sie einfach Stopp, wenn Sie die Person wiedererkennen, die Montagabend hier war. Wäre das okay für Sie?«
Sheraz nickt zögernd.
»Gut, fangen wir an.«
Er stellt die Schultertasche ab. Legt das erste Bild auf den Tresen. Er beginnt mit einer Reihe von Oppositionspolitikern, Beratern, Parlamentsabgeordneten, die in der Justizkommission sind oder waren, erntet aber nur Kopfschütteln. Henning geht Politiker nach Politiker durch, während Sheraz zunehmend mürrisch nur weiter mit dem Kopf schüttelt.
»Stopp!«, sagt er plötzlich.
Henning hält inne.
»Zurück.«
Henning nimmt das letzte Blatt weg, Sheraz pflanzt seinen Zeigefinger, ohne etwas zu sagen, mitten auf das Blatt.
»Sind Sie sich sicher?«, fragt Henning.
Sheraz nickt.
»Gut«, sagt Henning, zieht den Stapel Ausdrucke zu sich und steckt ihn wieder in seine Schultertasche. Das war fünfhundert Kronen wert, denkt er im Stillen und verlässt den Laden.
61
Die Stimmung im Besprechungsraum gleicht der im Startbereich eines Skirennens. Alle fiebern darauf loszulaufen und wollen als Erste das Ziel erreichen. Aber jetzt geht es darum, die richtigen Dinge in der richtigen Reihenfolge zu erledigen.
»Okay«, eröffnet Ermittlungsleiter Arild Gjerstad die Sitzung. »Folgendes wissen wir bis jetzt über Markus Gjerløw: Er ist siebenunddreißig Jahre alt, wohnt in Grorud und ist arbeitslos. Keine Frau oder Partnerin, keine Kinder. Seine Eltern leben in Jessheim. Gjerløws Telefon ist eingeschaltet, der nächste Mast steht ganz in der Nähe seiner Wohnung. Er ist also mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Hause. Das Einsatzkommando ist bestellt, und der gesamte Block muss hermetisch abgeriegelt werden, ehe wir reingehen.«
Vereinzeltes Nicken.
»Los geht’s.«
Die Streifenwagen fahren ohne Blaulicht und Sirene, um Gjerløw nicht vorzuwarnen. Bjarne schielt zu Sandland hinüber, er sieht ihr an, dass es das ist, wofür sie lebt. Action. Das wird er nicht mehr allzu oft erleben, wenn er die Stelle als Ermittlungsleiter in Larvik annimmt. Stattdessen wartet dann auf ihn mehr Papierkram. Mehr Zeit im Büro.
Will er das wirklich?
Die Fahrt in den Bergensveien nach Grorud dauert eine knappe Viertelstunde. Regentropfen peitschen gegen die Windschutzscheibe. Sie parken einen Wohnblock entfernt von dem Hochhaus, in dem Gjerløw wohnt, auf dem Bürgersteig und laufen die letzten Meter zum Eingang. Unter dem Vordach hat jemand Schutz vor dem Regen gesucht.
Ein uniformierter Mann aus der Einsatztruppe betritt als Erster das Treppenhaus, gefolgt von mehreren Beamten. Zwei Männer bauen sich vor dem Fahrstuhl auf, vier laufen die Treppe hoch. Bjarne und Sandland folgen ihnen. Kurz darauf sind sie in der achten Etage. Sandland atmet schwer hinter ihm.
Einer der Uniformierten klopft fest gegen Gjerløws Tür. Das Klopfen hallt durch den
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