Verlieb dich nie nach Mitternacht
gehalten hatte, zurückzog.
Der Anblick schnürte ihm die Kehle zu. Er hatte sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingestanden, dass er sie begehrte, sich aber der Vernunft gebeugt. Es gab Gründe, warum er sie nicht haben konnte, nicht haben durfte. Doch sie jetzt mit einem anderen Mann so eng beisammen zu sehen, dazu noch mit seinem Feind, verursachte ihm körperliche Qualen.
Doch Furcht und Eifersucht sah man ihm nicht an, als er nun mit ausrucksloser Miene auf die beiden zutrat. »Maribel, geh ins Haus. Du wirst dort gebraucht.«
Wie ertappt ruckte ihr Kopf zu ihm herum. Das flackernde Licht der Fackeln warf dunkle Schatten auf ihr Gesicht.
»Ich gehe ins Haus, weil ich es will. Nicht, weil Sie es mir sagen.« Fast unmerklich zuckte er bei ihren Worten zusammen. Auch, weil sie seinen Arm streifte, als sie an ihm vorbeiging.
»Halt«, sagte Andrej auf Deutsch. »Sie …« Er zeigte auf Maribel. »Übersetzen.«
Misstrauisch flog Friedrichs Blick zwischen Andrej und Maribel hin und her. »Maribel kann Ihnen nicht übersetzen. Sie spricht kein Russisch.«
Es war spät. Maribel fühlte sich müde. Gerade selbst erst von einem heftigen Fieber genesen, hatte sie den Morgen noch im Gefängnis verbracht. Sie war von einem vorbeiziehenden russischen Trupp überfallen worden und hatte einen langen Fußmarsch hinter sich. Sie sehnte sich danach, dass dieser Tag für sie endlich zu Ende ging und sie sich schlafen legen konnte. Doch unversehens sah sie sich nun auch noch zwei Männern gegenüber, die sich offensichtlich gegenseitig aus tiefstem Herzen verabscheuten. Ausgerechnet ihr fiel die Rolle der Vermittlerin zu.
»Ich verstehe einige Brocken Russisch. Es reicht aus, um mich mit ihm zu verständigen, gnä …« Im letzten Moment verschluckte Maribel das »gnädige Herr«. Ihr stand der Sinn nach Rebellion. Friedrich von Leyen war weder ihr Herr noch gnädig. Hatte sie bis jetzt das von ihm vorgegebene Spiel mitgespielt, dann hatte es vor allem ihm und seiner Bequemlichkeit genutzt. Ihr hatte es zu Arrest im Keller und endlosem Fußbodenschrubben verholfen.
»Das kommt nicht infrage. Wir können niemanden auf dem Hof entbehren.« Seine Antwort kam, ohne nachzudenken. Instinktiv.
»Ich möchte es aber. Ich könnte helfen, Missverständnisse zu vermeiden.«
»Du bist verrückt.« Erregt trat Friedrich auf sie zu. »Du weißt nicht, was du sagst. Das hier ist kein Spiel. Wenn du für den Russen dolmetschst, wirst du ihn auf Schritt und Tritt begleiten müssen. Du wirst rund um die Uhr an seiner Seite sein. Er wird dich …«
…mit in sein Bett nehmen, hatte er den Satz beenden wollen. Doch er stockte erschrocken.
Herr im Himmel, was geschah mit ihm? Verlor er den Verstand?
»Sie haben kein Recht, mir Befehle zu erteilen.«
»Es geschieht zu deinem Schutz, Maribel. Du kennst die Regeln dieser Welt nicht. Ohne mich bist du verloren. Allein findest du niemals den Weg zurück.«
Maribel schnaubte verächtlich durch die Nase. »Dann ist es umso wichtiger, dass ich mein Leben lebe, wie ich es für richtig halte.« Ihre Augen funkelten trotzig. Irritiert registrierte sie, wie still es um sie herum geworden war. Kaum einem war ihr Disput entgangen.
»Maribel.« Friedrich mahnte noch einmal mit aller Eindringlichkeit.
»Es tut mir leid.« Sie ließ die beiden Männer stehen und lief zum Haus.
Andrej, der die ganze Zeit über mit unbewegter Miene zugehört hatte, entfachte ein Streichholz an seinem Stiefel. Aus seiner Jackentasche zog er zwei Zigarillos, die er tags zuvor einem Bürgermeister auf der anderen Rheinseite abgenommen hatte. Eine davon bot er nun Friedrich an.
Doch der schlug sie mit einer unbedachten Bewegung aus. »Ihre Soldaten werden alles bekommen, was sie benötigen«, bellte er.
Andrej sah ihm aus schmalen Augen nach, bis er im Haus verschwunden war.
*
Heftige Kopfschmerzen hämmerten hinter ihren Schläfen, als Maribel ins Haus stürmte. Sie verfluchte die unpraktischen Röcke, die sich mal wieder wie Fallstricke um ihre Knöchel wickelten.
»Da bist du ja endlich. Komm und hilf uns anderen mit den Lebensmitteln.« Trotz ihrer Verletzung schleppte Grete schwer an einem Korb mit altem Brot vom Vortag.
»Den Teufel wird ich«, keifte Maribel zurück. Sie war mit ihren Kräften am Ende. Ohne nach rechts und links zu sehen, stürmte sie zu dem Bett, das man ihr zugewiesen hatte, und warf sich hinein. In der nächsten Sekunde schlief sie ein.
*
»Das Mädchen ist mit seinen Kräften am
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