Verlieben war nicht abgemacht - Asher, B: Verlieben war nicht abgemacht - The Pretend Wife
am Institut für Biotechnologie der University of Maryland, wo er noch heute als Professor lehrt, und arbeitete in der New York Zoological Society mit Wissenschaftlern zusammen. Aber sechs Monate vor dem Tod meiner Mutter stieg er aus dem Projekt aus.
Ich lernte schon früh, dass es mir nicht gestattet war, Fragen bezüglich meiner Mutter zu stellen. Mein Vater offenbarte mir ein paar Dinge über sie: Sie war eine gute Mutter; sie liebte Obst und Gemüse; sie hatte in der Highschool Ballettunterricht genommen – und sie hatte vor meiner Geburt stricken gelernt. Wenn sie nicht schlafen konnte – und sie schlief sehr schlecht –, strickte sie. Das waren die Fakten, mit denen ich mich begnügen musste.
Zu seiner Arbeit durfte ich jedoch Fragen stellen, und als ich älter wurde, begriff ich, wie viel meinem Vater an dem Buckelwal-Projekt gelegen hatte, obwohl er ausgestiegen war – gezwungenermaßen. Er erzählte mir, dass er viel Zeit auf Schiffen hatte verbringen müssen und seine Familie vermisste. »Ich wurde zu Hause gebraucht«, sagte er einmal.
Mrs. Fogelman, die meine Mutter nur wenig gekannt hatte – ich habe den Eindruck, dass meine Mutter nicht leicht kennenzulernen war –, hatte mir im Lauf der Jahre einige Informationen gegeben. Sie wusste nichts Genaues über den Unfall – oder sie weigerte sich, es zuzugeben. Nach dem Tod meiner Mutter, sagte sie, sei mein Vater wie versteinert gewesen. Er weinte nicht. Er brach nicht zusammen. Er stand die Beerdigung ohne jede erkennbare Regung durch.
Aber irgendwann brach die Trauer sich Bahn.
Ich war sechs Jahre alt, als 1979 die National-Geographic -Ausgabe mit der Schallplatte erschien. Da war meine Mutter seit einem Jahr tot. Mein Vater spielte die Platte unaufhörlich, das ganze Haus war erfüllt von den Stöhnlauten und Seufzern der Buckelwale. Ein paar Monate lang kam ich mir vor, als lebte ich unter Wasser. Und ich weiß noch, dass mein Vater sich damals im Zeitlupentempo durchs Haus bewegte, als schwimme er durch sein Leben. Endlich trauerte er um meine Mutter.
»Als du wieder im Internat warst«, erklärte mir Mrs. Fogelman, »hatte er Zeit für sich. Er wurde unvorsichtig, und schon hatte die Trauer ihn am Wickel. Aber dein Vater ist ein starker Mann. Er watete nicht lange darin.«
Das sah ich anders. Er lernte, seine Trauer zu verbergen, aber darin waten tat er bis heute.
Das Motto meiner Kindheit war »einsam«: einsame Papiertüten-Mahlzeiten, einsame Tagebücher, einsame Käfer in einsamen Weckgläsern, einsame Barbies. Einsame Löcher, in einsame Strände gegraben, einsame Zahnspangen, ein einsamer Gipsverband. Einsame Klarinettenstunden, einsame Fahrradtouren, einsame Zerealien in einsamen Müslischüsseln. Das ist meine Erinnerung daran. Einsam, einsam, einsam.
Nur manchmal wurde die Einsamkeit von Frauen durchbrochen – Lehrerinnen oder Müttern aus der Nachbarschaft. Ich ließ es zu, doch was sie mir gaben, war keine Liebe. Es sah nur aus wie Liebe. Es war Mitleid. Die Kinder behandelten mich wie ein rohes Ei, und ich ließ auch das zu, denn ich wusste als Kind nicht mit anderen umzugehen. Mein Vater mied die Menschen, und ich tat es ihm nach. Es war wie ein Pakt zwischen uns, als beschützten wir unseren Verlust, gestatteten niemandem Zugang dazu, damit wir ihn für uns allein behalten konnten. Mein Vater wollte seinen Schmerz mit niemandem teilen.
Man sollte meinen, dass mein Vater und ich zumindest unseren Schmerz gemeinsam gehabt hätten, doch in Wahrheit konnte er mich kaum ansehen. Er liebte mich und tut es noch immer, doch ich sah aus wie meine Mutter mit meinem kleinen Gesicht, den grünen Augen und dem ungebärdigen dunklen Haar. Sooft ich es auch hinten zusammensteckte – es löste sich und fiel nach vorne wie ihres. Immer.
Und so gewöhnte ich mich an eine Liebe mit Vorbehalt, eine Liebe, die im Hintergrund Angst vor der Liebe beinhaltete.
Und wie passte Elliot Hull zu dieser Form von Liebe?
Schlecht.
Nach dem Tag, an dem er sich auf meiner Decke niederließ und mir erklärte, dass ich bei dem Eisbrecher das falsche Mädchen gewählt hätte, dass ich statt Ellen Maddox mich selbst für ihn hätte aussuchen sollen, verbrachten wir jede freie Minute zusammen. Wir mieteten uns Schläger und spielten Squash in den Kabinen mit den Türklinken aus Metall und den Glaswänden auf der Rückseite. Wir begleiteten einander zum Unterricht. Wir trafen uns in einem der Konferenzräume im Tiefgeschoss, wo auch die Bücherei
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