Verliebt bis unters Dach Roman
ziehen sich die Socken an«, verkündete sie. »Was bedeutet, in fünf Minuten sind sie alle unterwegs zur Bar, um ein paar Kurze zu stürzen, während die Frauen das
Make-up auflegen. Aber bei deren Alter sind das wohl eher zehn Minuten, denn so lange brauchen die Jungs, um sich zu bücken und die Socken hochzuziehen.«
Genau zehn Minuten später hörte man ein lautes Getrampel. Es waren alles ältere Herrschaften, die aber wild enschlossen waren, sich zu vergnügen.
Mr. und Mrs. Golightly und ihre Freunde, die Emersons, waren die Anführer. Sie bestellten eine Runde Cocktails für alle, auch für Liesel, die mehrfach höflich dankend ablehnte, ehe sie es aufgaben. Dann versuchten sie, Disco-Dave zu überreden, früher anzufangen, indem sie ihm mehrere Wodka-Martinis spendierten, von denen er leider keinen einzigen ablehnte.
Als die anderen Gäste allmählich eintrafen, war der erste Trupp schon dabei, zu den Klängen von Agadoo in einer Polonaise durchs Haus zu tanzen.
»Das wird ein lustiger Abend«, seufzte Marilyn und verdrehte die Augen.
»Immer noch besser als ein langweiliger Abend«, grinste Liesel.
Um halb neun fand im ganzen Hotel eine Riesenparty statt. Die Musik war ohrenbetäubend, die Unterhaltungen, um die Musik zu übertönen, noch lauter, gewürzt von grölendem Lachen über schmutzige Witze. Das glückliche Paar, das keinen Tag älter aussah als siebzig, hatte für alle Champagner bestellt. Die angetrunkenen Gäste fielen über das Büffet her wie ausgehungerte, aber sehr dankbare Geier.
Sie hatten Kashia gebeten, zu helfen. Sie und Lorraine arbeiteten am Büffet, legten immer wieder nach, bis nichts mehr da war, und sammelten das schmutzige Geschirr und
die Gläser ein. Marilyn, Eric und Alex waren in der Küche beschäftigt, so viel Nachschub wie möglich zuzubereiten. Alex war überglücklich über seine neue Fertigkeit, Pastetchen zu machen, und füllte sie außer mit Pilzragout und Krabben mit allem Möglichen.
Liesel servierte die Drinks und lauschte den Komplimenten des neunzehnjährigen Enkels des Jubelpaares. Er war die einzige Person im ganzen Haus unter vierzig und hatte kaum Lust, sich unter die alten Leutchen zu mischen. Daher tröstete er sich gern damit, dass die Barfrau ihn ein wenig an sein Lieblings-Postermädchen Kelly Brook erinnerte. Doch die schöne Liesel, wie er sie für sich nannte, hatte die hübschere Nase.
Als die Sonne unterging, verzog sich alles nach draußen. Die Terrasse sah aus wie aus einem Märchenbuch. Die bunten Lichter schaukelten in der Brise und spiegelten sich im Wasser.
Disco-Dave hatte viel zu viele Martinis gekippt und spielte jetzt Weihnachtslieder, aber niemand schien etwas dagegen zu haben. Irgendwie trug das noch zu der festlichen Atmosphäre bei.
Um zehn brachte Eric, von den Greenwoods angewiesen, die hohe Torte herein, die er mit Alex am Abend zuvor gebacken hatte. Eric hatte sie inzwischen meisterhaft mit Zuckerguss versehen und einen ziemlich wackeligen schiefen Turm in eine dreistöckige Fantasie aus weißem Guss und bunten Zuckerrosetten verwandelt.
»Der Typ ist einmalig«, seufzte Marilyn. Als Eric die Kerzen anzündete, sah sie, dass er eine Träne in den Augenwinkeln hatte. »Er nimmt seine Arbeit sehr ernst.« Als das Jubelpaar zu den Rufen und dem Klatschen der Gäste die Kerzen ausblies, meinte sie: »Es läuft gut, nicht?« Das war auch nötig, denn sie hatten immerhin in den letzten vierundzwanzig
Stunden ausschließlich für dieses Fest gearbeitet. Wie zum Beweis gähnte sie herzhaft.
»Bist du noch fit?«
Marilyn nickte. »Der Ausdruck >erschöpft, aber glücklich< hat für mich eine neue Bedeutung gewonnen.«
»Ich benutze das lieber nur für Sex«, grinste Liesel.
»Was ist nochmal Sex?«, seufzte Marilyn.
»Du weißt, diese Sache, damit du deinen Sohn bekommen konntest? Ach ja, wo steckt er eigentlich?«, fragte Liesel, ging in die Halle und suchte ihren Neffen.
»Um halb elf Uhr abends?« Marilyn blickte auf die Uhr und zog die Brauen hoch. »Im Bett natürlich.«
»Meinst du?«
»Dorthin habe ich ihn vor einer Stunde geschickt.«
Liesel deutete mit dem Kopf in Richtung Speisesaal.
Marilyn kniff die Augen zusammen, sah aber nichts. Erst als ihr Blick von der Tischplatte des Buffets nach unten glitt, sah sie zwei Füße und einen buschigen Schwanz unter dem weißen Leinen. Der buschige Schwanz wedelte, und die Füße wippten im Takt zu »Jingle Bells«.
Marilyn hob das Tischtuch hoch.
Die Pfirsichhaut
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