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Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe

Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe

Titel: Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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diesen Dingen, soweit sie mir zum Problem geworden waren, auf den Grund gegangen, habe meine Stellung zu ihnen, meine eigene Mitschuld an ihnen geklärt, bin auch praktisch jahrelang auf der Seite einer kleinen kämpfenden Opposition gestanden. Dann kehrte ich, verändert, aber in allen wichtigen Glaubenssätzen bestätigt, zu Hölderlin und Nietzsche, zu Buddha und Lao Tse, zu Dichtung und Kontemplation zurück, und weiß, was ich damit tat.
    Finden Sie Ihren Weg und bleiben Sie nicht an Menschen und Idealen hängen, die Ihnen eine Weile lieb waren.
    Aus einem Brief, etwa 1930
Krieg und Frieden
    G ewiß haben jene recht, welche den Krieg den Ur- und natürlichen Zustand nennen. Insofern der Mensch ein Tier ist, lebt er durch Kampf, lebt auf Kosten anderer, fürchtet und haßt andere. Leben ist also Krieg.
    Was »Friede« sei, ist viel schwerer zu bestimmen. Friede ist weder ein paradiesischer Urzustand noch eine Form durch Übereinkunft geregelten Zusammenlebens. Friede ist etwas, was wir nicht kennen, was wir nur suchen und ahnen. Friede ist ein Ideal. Er ist etwas unsäglich Kompliziertes, Labiles, Bedrohtes – ein Hauch genügt, um ihn zu zerstören. Daß auch nur zwei Menschen, die aufeinander angewiesen sind, in wahrem Frieden miteinander leben, ist seltener und schwieriger als jede andere ethische oder intellektuelle Leistung.
    Dennoch ist der Friede, als Gedanke und Wunsch, als Ziel und Ideal, schon sehr alt. Seit Jahrtausenden schon besteht das mächtige, für Jahrtausende grundlegende Wort: »Du sollst nicht töten.« Daß der Mensch solcher Worte, solch ungeheurer Forderungen fähig ist, das kennzeichnet ihn mehr als jedes andere Merkmal, es scheidet ihn vom Tier, trennt ihn scheinbar von der »Natur«.
    Der Mensch, so fühlen wir bei solchen mächtigen Worten, ist nicht Tier, er ist überhaupt nichts Festes, Gewordenes und Fertiges, nichts Einmaliges und Eindeutiges, sondern etwas Werdendes, ein Versuch, eine Ahnung und Zukunft, Wurf und Sehnsucht der Natur nach neuen Formen und Möglichkeiten. »Du sollst nicht töten!« war zur Zeit, wo das Wort zuerst aufgestellt wurde, eine Forderung von ungeheuerstem Umfang. Es war nahezu gleichbedeutend mit: »Du sollst nicht atmen!« Es war scheinbar unmöglich, scheinbar wahnsinnig und vernichtend. Dennoch ist dieses Wort in vielen Jahrhunderten aufrecht geblieben und gilt heute wie immer, hat Gesetze, Anschauungen, Sittenlehren geschaffen, hat Frucht getragen und das Menschenleben umgerüttelt und umgepflügt wie wenig andere Worte.
    Das »Du sollst nicht töten!« ist nicht das starre Gebot eines lehrhaften »Altruismus«. Altruismus ist etwas, was in der Natur nicht vorkommt. Und »Du sollst nicht töten!« heißt nicht: du sollst dem andern nicht weh tun! Es heißt: du sollst dich selbst des andern nicht berauben, du sollst dich selbst nicht schädigen! Der andere ist ja kein Fremder, ist ja nichts Fernes, Beziehungsloses, für sich Lebendes. Alles auf der Welt, alle die tausend »anderen« sind ja für mich nur da, insofern ich sie sehe, sie fühle, Beziehungen zu ihnen habe. Aus Beziehungen zwischen mir und der Welt, den »anderen«, besteht ja einzig mein Leben.
    Dies zu erkennen, dies zu ahnen, diese komplizierte Wahrheit zu ertasten, war der bisherige Weg der Menschheit. Es gab Fortschritte und Rückschritte. Es gab Lichtgedanken, aus denen wir uns dann doch wieder finstere Gesetze und Gewissenshöhlen bauten. Es gab seltsame Dinge wie die Gnosis, wie die Alchimie, von welchen manche Heutige genau zu wissen glauben, wie töricht sie waren, während sie vielleicht höchste Gipfel auf dem Menschheitswege der Erkenntnis waren. Und aus der Alchimie, welche ein Weg zur reinsten Mystik und zur letzten Erfüllung des »Nicht töten!« war, haben wir lächelnd und überlegen eine technische Wissenschaft gemacht, welche Sprengstoffe und Gifte herstellt. Wo ist da Fortschritt? Wo Rückschritt? Es gibt beides nicht.
    Auch der große Krieg dieser Jahre [1914-1918] zeigt beide Gesichter, sieht oft wie Fortschritt, oft wie Rückschritt aus. Die wüste Massenhaftigkeit und grausame Technik des Mordens sahen sehr wie Rückschritt aus, ja wie Hohn auf jeden Versuch des Fortschritts und des Geistes. Fast wie Fortschritte aber empfinden wir manche neuen Bedürfnisse, Erkenntnisse und Bestrebungen, die der Krieg gezeitigt hat. Ein Journalist glaubte alle diese seelischen Dinge mit dem Wort »Verinnerlichungsrummel« abtun zu dürfen – aber sollte dieser Mann sich nicht

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