Verliebt in einen Unbekannten
zwischen uns war. Es war heilig. »Heilig«, murmelte ich. »Zwischen Hailey und mir besteht ein heiliges Band ⦠ich darf sie nicht verlieren, Sam. Ohne Hailey bin ich aufgeschmissen!«
Ich hatte schreckliche Angst, meine kostbarste Freundin zu verlieren. Hailey hasste mich und schien allen Ernstes zu glauben, ich hätte etwas mit ihrem Partner. Auch wenn ich das nicht verstehen konnte, wusste ich, dass es ein riesiger, unverzeihlicher Fehler gewesen war, Matty an einem Donnerstagabend um zehn vor elf anzurufen. Warum hatte ich nicht bis morgen warten können?
»Ich bin eine schreckliche, dumme Person«, heulte ich.
Sam legte seinen Arm um mich. »Wein dich aus«, murmelte er. »Wein dich nur aus. Lass das Gefühl zu. Spür es. Leb es aus.«
Wieder war mir klar, dass Sam etwas sehr Komisches sagte, wie so oft, wenn er betrunken war. Trotz meiner Tränen musste ich lächeln. »Woher hast du denn all die Sprüche?«, fragte ich ihn und drückte mir meinen Schal an die Wange, um die Tränen zu stoppen.
»Schauspielschule«, antwortete er und nickte weise. »Weinen ist okay, Charley. Lass es einfach zu.«
Also heulte ich noch ein bisschen mehr.
SchlieÃlich versiegten meine Tränen, und wir kamen überein, dass es ausgesprochen dämlich gewesen war, Matty in meinem betrunkenen Zustand anzurufen, weswegen ich mich gleich morgen früh entschuldigen würde. Trotzdem war ich nach wie vor wütend auf mich. Welcher betrunkene Trottel benahm sich derart rücksichtslos? Und wenn wir schon dabei waren: Warum war ich heute Abend derart von der Rolle? Ich seilte mich von der Veranstaltung im Balmoral Hotel ab? Versuchte, Servietten zu klauen? Was sollte das? Ich besuchte ständig edle Restaurants! Ich befand mich in einem sonderbaren Rausch, hinter dem definitiv mehr steckte als nur der Alkohol. Ich war völlig atemlos, aus dem Gleichgewicht. Manchmal, wenn mir meine Klientinnen schrieben, um mir zu berichten, wie ein Treffen gelaufen war, schilderten sie genau das. Doch ich war nicht auf einem Date. Ich besuchte mit meinem Mitbewohner eine Geschäftsveranstaltung.
Sam nahm seinen Arm von meiner Schulter, und ich spürte schlagartig, wie mir die kalte Luft in den Nacken schnitt. »Jetzt sehe ich bestimmt aus wie ein Monster«, sagte ich und versuchte, mich zusammenzureiÃen. »Ist meine Wimperntusche sehr verschmiert?«
Sam beugte sich vor und musterte mich prüfend. Er musste sich groÃe Mühe geben, meine Augen ins Visier zu nehmen. Ich starrte auf seine Haut und staunte, wie jugendlich sie war. Wieso hatte ich mehr Fältchen als Sam, obwohl ich mit militärischer Entschlossenheit und teuren Gesichtscremes dagegen vorging? Genau diese Frage stellte ich ihm.
Sam grinste. »Bleib so, dann sehe ich mir deine Falten mal genauer an.« Er beugte sich noch weiter vor. »Hm«, sagte er. Ich konnte seinen Atem auf meinem Gesicht spüren, er roch nach Wein und Mango. »Keine zu sehen«, murmelte er.
»Soll ich mal lächeln?«, fragte ich.
»Gute Idee«, erwiderte er. »Und dann mach mal das Gesicht, das du immer aufsetzt, wenn du versuchst, ein Problem zu lösen.«
Ich dachte an Margot und spürte, wie sich meine Gesichtszüge veränderten. Ich lachte. »Ziehe ich oft so ein Gesicht?«
»Ja. Nun, es tut mir leid, du hast tatsächlich ein paar Fältchen, Chas. Aber sie sind sehr charmant. Lächle noch mal.«
Ich lächelte. Sam lächelte zurück. Ein paar Sekunden blieben wir einfach so sitzen und lächelten einander an. Ich spürte, wie ich erneut auÃer Kontrolle geriet. Seltsam. Am liebsten wäre ich mit ihm in den Park gerannt, um eine Hütte zu bauen oder auf Bäume zu klettern.
»Woran denkst du?«, fragte er.
»Hm. Daran, dass ich jetzt gerne in den Princes Street Gardens auf Bäume klettern würde«, gab ich zu. Sam kicherte. »Und woran hast du gedacht?«
»Das ist ein bisschen seltsam«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Ich habe an die E-Mails gedacht, die wir uns geschickt haben. Und daran, dass seitdem alles ein bisschen verwirrend ist.«
Der Lärm der Stadt schien plötzlich zu verstummen. Beunruhigt starrte ich Sam an. Ich hatte alles Erdenkliche unternommen, um sicherzustellen, dass es eben nicht verwirrend zwischen uns wurde. Warum musste er ausgerechnet jetzt darauf zu sprechen kommen? »Verwirrend?
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