Verliebt, verlobt, verflucht
dich verliebt!«, versuchte es Nilo weiterhin, ihr Informationen zu entlocken.
Natalie spürte, dass sie rot wurde. »Das kann ich jetzt aber nicht auf offener Straße erzählen ...«
»In Ordnung, ich komme zu dir hoch. Matschbirne kann auch ohne mich die Zeitungen austragen, das Zählen von Goldmünzen hat er mittlerweile gelernt. Aber die Kriechfußstraße darfst du nicht verlassen, hörst du? Sonst finde ich dich später nicht mehr.« Matschbirne grunzte bejahend.
Nilo lief zum Hauseingang, während Matschbirne grunzend versuchte, Passanten die Zeitung anzudrehen.
Fünf Minuten später saß Natalie mit Nilo am Fenster und las ihm den Brief vor. Danach erzählte sie ihm von dem Besuch bei Lulipert und deren Feststellung.
»Was meinst du, stammt der Brief von einem Schwarzen Schatten?«
»Hm«, machte Nilo, zog seine Mütze vom Kopf und wuschelte sich gedankenverloren durch die Haare. »Das ist in der Tat höchst merkwürdig. Im Hafen vertickern sie ja viel, aber eine Tinte aus den Schwarzen Bergen war noch nie dabei.«
»Nilo, ich dachte du hast mit dem Schmuggeln aufgehört!« Natalie war empört.
»Das wollte ich ja, aber der Verkauf von den Magamas bringt nicht genügend Geld für die Miete ein, und von meinem Vater kann ich auch kein Geld erhoffen. Sobald er auf hoher See war und seinen Lohn erhalten hat, versäuft er ihn wieder.« Nilo wirkte geknickt, Natalie nahm ihn fest in den Arm. Ihr tat Nilo so leid, ohne Mutter und mit einem Vater aufzuwachsen, der seinen Kummer im Alkohol ertränkte, war bestimmt nicht leicht.
Nilo löste sich wieder aus der Umarmung und Natalie hatte den Eindruck, dass er sich verstohlen eine Träne wegwischte. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich passe auf mich auf und lasse mich nicht von den Hafenwächtern erwischen. Auf jeden Fall habe ich noch keine solche Tinte unter den Schmuggelwaren entdeckt. Doch wer würde schon solch eine Tinte beordern? Noch dazu, wenn Karawas mit seinen hundert Tintensorten den Markt Peretruas beherrscht. Warum sollte dein Verehrer also eine Tinte der Schwarzen Schatten benutzen, wenn er selbst nicht aus dem Reich der Schwarzen Schatten stammt?«
»Du hast ja irgendwie Recht. Aber wenn er ein Schwarzer Schatten sein sollte, wie kann er dann in Peretrua ungehindert leben? Und wieso verwendet er nicht einfach eine normale Tinte? Hach, das ist alles so kompliziert«, seufzte Natalie verzweifelt.
»Das ist es in der Tat, aber andererseits auch überaus spannend. Meine beste Freundin hat einen Schwarzen Schatten als Verehrer!« Nilo grinste breit und Natalie knuffte ihm zum Dank für den Kommentar in die Seite. »Das ist nicht wahr ...Schwarze Schatten schreiben bestimmt keine Liebesbriefe. Sie gelten doch als rüpelhaft, herzlos und brutal.«
»Anscheinend ist dieser Schwarze Schatten eine Ausnahme«, feixte Nilo. »Warte einfach ab, bis sich dieser Artus meldet. Irgendwann wird er es ja tun, wenn sein Herz so sehr nach dir verlangt!« Nilo kicherte und Natalie knuffte ihn wieder in die Seite. »Ich gehe dann jetzt, mach's gut.«
Natalie drückte ihn zum Abschied fest.
Danach begann Natalie, sich über die leidige Hausaufgabe für Mathematik herzumachen. Mittendrin gab sie entnervt auf und piekste aus Langeweile ihren Kakteen der Reihe nach in den Bauch. Die Reihe von zehn mickrigen, grünen Stachelpflanzen stand auf dem Fenstersims genau über ihrem Schreibtisch. Eine der Kakteen war sogar ganz hübsch geworden, eine rosa Blüte zierte ihren Kopf, doch die anderen wollten einfach nicht wachsen. »Hatschi«, machte der Kaktus mit dem Dauerschnupfen wieder einmal und verzog sein stacheliges Gesicht.
»Gesundheit«, sagte Natalie dumpf und piekste ihm sowie allen anderen Kakteen ein zweites Malder Reihe nach mit dem Bleistift in den borstigen Bauch.
»Haaaaaatschi«, machte er noch einmal. Mitleidig rang sie sich dazu durch, ihm etwas von dem Kakteenhustensaft (einer glibberigen, leuchtend roten Flüssigkeit) in den Schlund zu träufeln. Immerhin hatte sie dann noch eine Zeit lang Ruhe und konnte ohne lästiges Kaktusniesen den Aufsatz zum Marktgesetz von Peretrua zu Ende bringen.
Dabei starrte sie immer wieder verträumt auf die scheinbar unendliche Dächerflut, die sich vor ihr erstreckte. Sie hätte stundenlang aus dem Fenster starren und beobachten können, wie die Nacht anbrach und aus den lieblichen, eng aneinander gepressten Wohnhäusern und Türmen düstere Schattenwerfer wurden.
Später, nach dem Abendessen mit ihren
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