Verliebt, verlobt, verflucht
Geschichtslehrer erfahren muss, dass die Eltern einen fünfzehn Jahre belogen haben? Fünfzehn Jahre!«
Luca hatte Tränen in den Augen. »Es tut mir wirklich so leid.«
»Ich kann nicht glauben, dass du das getan hast! Wir hatten nie Geheimnisse voreinander! Ich konnte dir sogar mehr erzählen als Mama!«
Luca weinte, worüber Natalie sehr erschrak. Sie war zwar wütend, allerdings konnte sie Menschen, die ihr lieb waren, nicht weinen sehen. Sie empfand Mitleid für ihren Vater und fügte daher eine Spur freundlicher, aber noch immer mit bitterem Unterton, hinzu: »Ich habe das Gefühl, dass mein Leben bisher eine Lüge war. Eure ganzen Theaterbesuche, Mamas Interviews in der Nacht, deine sonderbaren Aufträge wie zum Beispiel dieser Drache hier! Du willst mir doch nicht weismachen, dass du die Babydrachen an Kinder verkaufst? In Wirklichkeit war das doch eine Bestellung für den Orden!«
Luca Brebin nahm die Hände seiner Tochter in die seinen. Er sah ihr tief in die Augen und sprach leise:
»Eines kann ich dir versichern, Liebstes! Dein Leben war keine Lüge! Wir haben dir zwar nicht immer ganz die Wahrheit gesagt, aber dich nie angelogen! Mama ist eine der besten Journalistinnen beim Staper und ich bin Eigentümer dieses famosen Krimskramsladens. Mamas Arbeit für den Staper sowie meine Arbeit hier hat sich mit Aufträgen für den Orden oft gedeckt. Du hast mich durchschaut, diese Flugechsen sind natürlich nicht für Kinderhände bestimmt, sie sollen als fliegende Spione im Reich der Schwarzen Schatten eingesetzt werden.«
»Ist das dein Ernst?«, fragte Natalie ungläubig.
»Ja, das ist mein voller Ernst. Dem Orden gehen die Spione aus, weshalb sie nun auf die Idee gekommen sind, Flugdrachen einzusetzen. Wenn du mich fragst, eine Schnapsidee, da es Freiwillige braucht, die auf den Drachen fliegen, aber was der Orden befiehlt, wird nicht hinterfragt, sondern befolgt«, spottete Luca Brebin.
»Ich bin schon auf einem Drachen geflogen«, dachte Natalie und fragte: »Aber was macht dieser Orden genau?«
»Das erzähle ich dir gerne heute Abend, zusammen mit deiner Mutter«, antwortete Luca.
Natalie nickte, sie hätte es zwar am liebsten sofort erfahren, aber sie konnte verstehen, dass ihre Mutter besser dabei war.
»Na schön, von mir aus. Ich habe fünfzehn Jahre lang nichts erfahren, da kann ich auch noch ein paar Stunden länger warten«, sagte sie düster.
»Was ich vorhin gesagt habe, tut mir leid. Aber ich war in dem Moment so sauer.«
Luca Brebin lächelte matt. »Das verstehe ich doch.«
Natalie wandte sich zum Gehen, hielt dann aber plötzlich inne.
»Ah, ich brauche noch ein Fass Blütennektar für Warenis!«
»Ich bringe dir heute Abend eines mit.«
»Danke.«, Natalie gab ihrem Vater einen Wangenkuss.
»Bis heute Abend, Prinzessin!«, sagte Luca Brebin lächelnd.
15. Kapitel
Der falsche Schwan
Kurze Zeit später stand Natalie vor dem Grundstück der Familie Tucin. Im Gegensatz zu Natalie wohnte Gingin nicht in einer Wohnung, sondern in dem rechten Flügel einer alten Villa. Das Grundstück war von einem hohen Eisenzaun umgeben, vor dem Eingangstor wachte eine Trollstatue. Das weiße, brüchige Marmorgestein war von Efeuranken überwuchert. Die hellblauen Dachschindeln holten den Himmel näher an das Haus, im großen Teich vor dem Haus spiegelten sich die Wolken. Drei weiße Schwäne schwammen darin und zupften an den Seerosen. Drei Schwäne? Die Tucins hatten doch nur zwei! Der dritte Schwan war bestimmt wieder dieser Elb!
Natalie drückte die Nase der Trollstatue, die sich in Bewegung setzte und das Eisentor beiseiteschob, um dann wieder zu Stein zu erstarren. Mit federnden Schritten steuerte Natalie auf den Teich zu. Vor dem Ufer postierte sie sich, stemmte ihre Arme in die Hüften und funkelte die Schwäne wütend an: »Raus mit der Sprache, wer von euch ist in Wirklichkeit der Elb Cévil?«
Die Schwäne blickten Natalie nur neugierig an und schnatterten munter weiter.
»Ich warne dich, dieses Mal kommst du nicht davon! Erst versaust du mir mit deiner Verwandlung mein Date, verhinderst einen Kuss mit Artus – und glaub mir, wir waren kurz davor!«, schnaubte Natalie wütend. »Dann versuchst du, mein Date umzubringen, und jetzt machst du dich auch noch an meine beste Freundin Gingin ran! Es ist einfach genug!«
Die Schwäne schwammen unbeirrt weiter und machten Natalie damit rasend.
»Na schön, wenn du dich nicht freiwillig zeigst, dann komme ich zu dir!«, verkündete
Weitere Kostenlose Bücher