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Verliebt, verlobt - verrueckt

Verliebt, verlobt - verrueckt

Titel: Verliebt, verlobt - verrueckt
Autoren: Amelie Fried , Peter Probst
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seinen Partner mit nach Hause zu bringen, kommt das einer Entscheidung gleich. Und die ist endgültig. Das ist der Grund, warum die meisten türkischen Frauen und Männer ihre Partner vor ihren Familien zunächst einmal geheim halten. Es ist oft so, dass die Eltern Bescheid wissen, aber nicht darüber geredet wird. Das geschieht erst, wenn die Beziehung offiziell gemacht wird. Ich hatte mit Anfang zwanzig einen Freund, mit dem ich auch zusammengelebt habe. Meine Eltern wussten das, haben aber nichts gesagt. Natürlich konnte ich ihn nicht mit nach Hause bringen, denn das hätte bedeutet, dass wir bald heiraten würden.
    Haben Ihre Eltern erwartet, dass Sie einen türkischen Mann heiraten , oder hätte es auch ein Deutscher sein dürfen?
    Je älter ich wurde, desto toleranter wurde mein Vater bezüglich seines Wunschschwiegersohns. Die » Heiratsgespräche« mit meinem Vater begannen immer mit dem gleichen Satz: » Wie alt bist du jetzt eigentlich?« Als hätte er das nicht gewusst! Als ich noch studierte, sagte er: » Nur Türke und Moslem, was anderes kommt mir nicht ins Haus!« Als ich Mitte zwanzig war, sagte er: » Hauptsache, er hat unsere Religion.« Und mit dreißig sagte er: » Allah liebt alle Menschen, egal, welcher Herkunft sie sind!« Danach bot er mir an, wieder zu Hause einzuziehen. Ich hätte einen Eskimo mit nach Hause bringen können, und er wäre glücklich gewesen.
    Wie reagiert Ihre Verwandtschaft in der Türkei darauf, da ss Sie unv erheiratet sind?
    Sie finden es eigenartig, aber auch bewundernswert. Meine uralte, anatolische Großmutter, die mit 14 verheiratet wurde, achtKinder zur Welt gebracht hat und nicht lesen und schreiben kann, nahm mich oft zur Seite und flüsterte mir ins Ohr: » Lass dir bloß nicht einreden, dass du heiraten sollst! Schau mich an, was aus mir geworden ist!«
    Ihre Eltern haben nie versucht, Sie unter die Haube zu bringen?
    Als ich mit 17 Jahren in der Türkei war, meldete sich eine Familie zu einem Besuch an. Mein Vater schmunzelte schon, und ich begriff natürlich, worum es bei dem Besuch ging. Meine Schwestern machten ihre Witze: » Gut, dass er dich nicht kennt, sonst würde der dich sowieso nicht wollen«. Und mein Bruder sagte: » Nimm ihn, du wirst nie wieder eine Chance auf einen anderen bekommen!« Ich brachte– wie es Tradition ist– das Tablett mit dem Mokka und setze mich einfach dazu. Das war ein Schock für alle, aber besonders für den Jungen. Das Handanhalten ist in der türkischen Gesellschaft sehr ernst, aber wir haben uns einen Spaß daraus gemacht, sogar mein Vater! Er sagte zu dem Jungen: » Du kannst sie gleich mitnehmen, wenn du willst. Aber ich glaube nicht, dass sie mitgehen wird, meine Tochter ist stur wie ein Esel.«
    Ihr Vater hat also akzeptiert, dass er Sie nicht zu einer Heirat zwingen könnte?
    Zwang war bei uns zu Hause nie eine Lösung. Das hat auch mit der Geschichte meines Vaters zu tun. Als junger Mann war er in Hamide verliebt, ein Mädchen aus seinem Dorf. Er durfte sie nicht heiraten, weil ihre Familie das nicht erlaubte. Sie wurde einem anderen, reichen Mann versprochen. Mein Vater und Hamide haben daraufhin beschlossen, dass er sie entführt. Als sie sich trafen, um die Entführung zu besprechen, war sie schon mit dem schweren Brautgold des neuen Mannes behängt – es war zu spät. Hamide war die große Liebe meines Vaters. Deshalb sagte er zu seinen vier Töchtern immer: Heiratet nur, wen ihr wirklich liebt.
    Haben Ihre Eltern sich inzwischen damit abgefunden, da ss Sie un verheiratet sind?
    Ja, denn ich habe jetzt ein Kind. Es geht ihnen doch gar nicht darum, dass ich einen Ehemann habe, der mich ernähren muss, sondern um die emotionale Absicherung. Es geht darum, dass man mit einem Ehemann eine Familie gründen kann. Wenn ich manchmal erwähne, dass ich eigentlich gerne verheiratet wäre, dann sagt meine Mutter: » Heiraten? Aber wofür denn? Du hast doch jetzt ein Kind!« Die haben eine unglaubliche kulturelle Anpassungsleistung vollbracht, dafür bewundere ich sie.
    Denken Sie, Ihr Leben wäre einfacher, wenn Sie verheiratet wären?
    Ich bin jetzt 42 und manchmal liege ich nachts wach und kann vor Sorge nicht schlafen. Ständig diese Unsicherheit! Ich bin freie Autorin, habe also keine feste Anstellung und kaum in die Rentenkasse eingezahlt. Ich muss mich und meine
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