Verlobt für eine Nacht
Eve.
Vierzig Minuten später half ihr der Portier, den Buggy aus dem Wagen zu heben. Eve setzte den schläfrigen Sam hinein und gab ihm seinen Lieblingsteddy, damit er beruhigt war und möglichst lange schlafen würde. Bestimmt würde er bald die spannende neue Umgebung erkunden wollen, aber hoffentlich wäre das Treffen mit Leo dann schon vorbei, das sicher nur zehn Minuten in Anspruch nehmen würde. Höchstens, dachte Eve und freute sich schon auf Leos Gesichtsausdruck, wenn er Sam entdeckte.
An der Rezeption bat sie darum, Mr Zamos über ihr Eintreffen zu informieren. Dann betrachtete sie nachdenklich die riesige, elegante Treppe und den künstlichen Wasserfall, der von einem Stockwerk des Hotels zum nächsten floss. Eve versuchte, sich all dies einzuprägen – diese fremde, märchenhafte Welt, in der es keine profanen Probleme gab, zum Beispiel eine nicht funktionierende Warmwasserversorgung.
In der Hotelbar im zweiten Stock nahm sie in einer Sitznische Platz und versuchte, Sam durch leichtes Schaukeln des Buggys zu beruhigen. Doch der kleine Junge war plötzlich hellwach und blickte sich mit großen Augen um.
„Es ist alles in Ordnung, Sam“, sagte Eve und holte Proviant für ihn heraus. „Wir sind hier nur kurz zu Besuch, und dann machen wir einen Spaziergang in Southbank, das wird dir bestimmt gefallen. Da gibt es einen Fluss, viel Musik und viele Vögel. Vielleicht sehen wir sogar einen Fisch!“
„Fiff!“, sagte Sam begeistert und griff mit der einen Hand nach seinem Lieblingsbuch und mit der anderen nach einer Rosine.
Als der Anruf aus der Rezeption kam, hatte Leo sich den perfekten Plan zurechtgelegt, wie er Eve erneut in seine Suite locken konnte. Er würde die Papiere in Empfang nehmen, ohne die Reise auf die Insel auch nur zu erwähnen. Dann würde er anbieten, Eve zum Auto zu bringen – und sich dann vor dem Fahrstuhl plötzlich daran erinnern, dass er ihr noch etwas geben wollte. Es würde nur wenige Minuten dauern, es aus seiner Suite zu holen …
Hochzufrieden mit sich selbst stieg er im zweiten Stock aus dem Fahrstuhl. Oh, wie er es liebte, wenn perfekte Pläne kurz vor ihrer Vollendung standen … Er ließ den Blick über die anwesenden Menschen gleiten, auf der Suche nach einer einzelnen, nervös wirkenden Frau. Ob Eve die letzte Nacht hatte vergessen können? Sicher nicht. Obwohl sie im Streit auseinandergegangen waren, hatte er die halbe Nacht wach gelegen und an die Stunden mit ihr denken müssen. Als Eric Culshaw dann vorgeschlagen hatte, die weiteren Besprechungen auf die Insel zu verlegen, war Leo zuerst entsetzt gewesen: Nun würde sich der Geschäftsabschluss noch weiter verzögern, weil Culshaw das wunde Herz seiner Frau mit einem improvisierten Urlaub heilen wollte. Doch dann hatte Leo sich überlegt, dass ein paar weitere Nächte wie die vergangene ihn nicht stören würden – im Gegenteil.
Jetzt entdeckte er Eve. Sie saß mit dem Rücken zu ihm und trug das Haar hochgesteckt, sodass ihr schmaler Hals betont wurde. Allein der Anblick der zarten Haut in ihrem Nacken erweckte heftige Lust in ihm und rief Erinnerungen an die heiße Leidenschaft der letzten Nacht wach. Am liebsten hätte er sie gepackt und sofort mit sich in seine Suite genommen, um sie hingebungsvoll zu lieben. Doch Leo hatte guten Grund, das wilde Tier in seinem Innern im Zaum zu halten.
Was hatte Eve nur an sich, dass sie solche Gedanken in ihm auslöste? Sie war doch lediglich ein Mittel zum Zweck, der fantastische Sex mit ihr nur das Sahnehäubchen.
Als sie den Kopf zur Seite wandte und mit jemandem zu sprechen schien, fiel Leos Blick auf den Kinderwagen, der neben ihr stand. Genau in dem Moment, als ihn die Erkenntnis wie ein Schlag traf und sein sorgfältig zurechtgelegter Plan in tausend Stücke zerschlagen wurde, drehte Eve sich um und sah ihn an.
„Hallo, Leo“, begrüßt sie ihn und klappte das Bilderbuch zu, das sie in der Hand hielt.
Fassungslos betrachtete er das Kind, das ihn mit großen Augen und offenem Mund ansah. „Was, verdammt noch mal, ist das ?“, fragte Leo.
„Das ist mein Sohn Sam. Sam, das ist Mr Zamos. Wenn du brav bist, darfst du vielleicht Leo zu ihm sagen.“
„Nein!“ Sam warf sich im Buggy nach hinten, drehte sich zur Seite und versteckte sich hinter seinem Teddy. Dann fing er an zu quengeln.
„Entschuldige“, sagte Eve und streichelte Sam den Rücken. „Er ist gerade erst aufgewacht. Und was den Kaffee betrifft, so sollte ich wohl lieber mit Sam einen
Weitere Kostenlose Bücher