Verlockend untot
Flammen nur ein kurzes Leben hatten. Ich blieb mit einem ruinierten Kleid zurück, einer Brandwunde am Oberschenkel und einem ernsten Fall von
Mir
Reicht's.
Wenn meine Mutter sieben Personen durch den größten Teil eines Jahrhunderts versetzen konnte, so sollte ich in der Lage sein, fünf Leuten eine Reise über mehrere Hundert Meter zu bescheren, zum Beispiel zur nächsten Straße. Dann hingen sie nicht mehr an den Fersen meiner Mutter, und wenn Mircea und ich zurücksprangen, brauchten wir uns nur noch um einen Burschen zu kümmern.
Ich musste die verdammten Kriegsmagier nur an einem Ort versammeln und…
Und dann musste ich das nicht mehr, weil Mama es für mich erledigte.
Ihre Kutsche rammte unsere, und ich hätte fast den Halt verloren.
Nicht so glimpflich davon kam der Magier, der versucht hatte, meine Mutter zu packen, während gleichzeitig der Kidnapper bestrebt gewesen war, ihn zu ergreifen. Der plötzliche Ruck warf ihn nach hinten, und er fiel durchs fehlende Dach unserer Kutsche, zerbrach dabei mehrere aus Holz bestehende Streben. Was mir den Blick auf Mircea freigab, der sich einen Magier unter den Arm geklemmt hatte, einen anderen an der Kehle hielt und versuchte, dem Neuankömmling einen Fuß in den Bauch zu bohren.
Er sah zu mir hoch, und ich sah zu ihm runter und dann zur Seite, wo eine Lücke zwischen zwei Gebäuden den Blick auf eine hübsche breite Straße freigab, die parallel zu dieser verlief. »Vorwarnung«, sagte ich und sprang.
Ich bereute es sofort.
Mein Körper fühlte sich an, als wollte er an den Säumen auseinanderreißen. Etwas zerrte und zog an mir, und ich spürte es in allen Fasern, in jedem einzelnen Nerv. Es tat so weh, dass ich geschrien hätte, wenn ich noch dazu in der Lage gewesen wäre. Und das war ich nicht, weil mein Hals in Form von Molekülen durch den Raum strömte, wie der Rest von mir, wie mein Gehirn, welches mir nichtsdestotrotz mitteilte, dass es zu weit war und zu viel. Vielleicht hätte ich daran denken sollen, dass die beiden Pferde in diesem Sinne ebenfalls als »Leute« zählten und wie müde ich bereits war. Ich befürchtete plötzlich, dass das mein letzter Sprung sein würde, weil mir gleich der Kopf explodierte.
Zumindest wäre es zu einer solchen Explosion gekommen, wenn ich genug Kraft für das Rematerialisieren gehabt hätte, und die würde ich nicht haben, wenn es noch etwas länger andauerte. Ich stellte mir vor, wie ich mich immer weiter auflöste, wie ich auseinanderfloss, zusammen mit den Pferden, der Kutsche und den Personen darin, wie wir zu einer Partikelwolke wurden, die der Wind fortblies, ohne dass etwas von uns zurückblieb. Ich wusste, dass so etwas geschehen würde, denn ich fühlte bereits, wie es geschah. Ich fühlte, wie ich weitere Teile von mir verlor, wie sich die Auflösung durch Körper und Geist fraß, wie …
Und dann dachte ich:
Nein.
Und ich dachte:
Schluss damit.
Und es hörte auf.
Es hörte tatsächlich auf, von einem Augenblick zum anderen.
Ich hatte nicht gewusst, dass so etwas möglich war, weil ich nie Anlass gehabt hatte, es zu versuchen. Irgendwie gelang es mir, den Sprung zu unterbrechen, direkt in seiner verdammten Mitte.
Es war mir keine Wahl geblieben, denn die Alternative hieß Tod; ich hatte mich gewissermaßen für das geringere von zwei Übeln entschieden. Das glaubte ich wenigstens, bis wir nicht auf der anderen Straße erschienen, sondern auf dieser. In gewisser Weise.
Die Straße wirkte plötzlich sehr vornehm und schick. Neoklassische Gebäude säumten sie, und das Licht von Gaslampen fiel auf helle Steinfassaden, die unter dem schwarzen Himmel fast golden wirkten. Zu beiden Seiten erstreckte sich eine überdachte Kolonnade, die ich zuvor nicht bemerkte hatte, weil ich zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen war. Ich bemerkte sie jetzt, weil wir in ihrer unmittelbaren Nähe landeten, will heißen: auf ihr.
Dadurch befanden wir uns ein ganzes Stück über der Straße und sausten über eine schmale Dachlinie, gerade breit genug für die Kutsche. Köpfe erschienen auf der einen Seite, blickten erst in die Tiefe, zur Straße, und drehten sich dann, um mich anzustarren. Einer der Magier schaffte es, den Arm zu heben, und ich hatte nicht den geringsten Zweifel daran, was er damit anzustellen gedachte.
Ich konnte ihn nicht daran hindern. Es fiel mir schwer genug, ihn zu sehen, denn er schwankte und zitterte wie alles andere vor meinen Augen. Deshalb brauchte ich zwei oder drei Sekunden,
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