Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
ins Innere gelangen.
Tatsächlich würde auch das Erklimmen der Hauswand kein allzu großes Problem darstellen. Die Engländer hatten schließlich diese merkwürdige Angewohnheit, an ihren Hauswänden Efeu emporranken zu lassen. Aber er wollte auf keinen Fall in die Gemächer des Dukes oder ihres Bruders platzen, der kaum die Feindseligkeit zu verbergen mochte, die er Jonathan entgegenbrachte. Schlimmer wäre nur, wenn er Lady Eleanors Schlafgemach erwischte.
Darum stand er in dem dunklen Garten. Er fühlte sich in der Dunkelheit und im Regen mehr zu Hause als vorhin im Ballsaal. Der Geruch der feuchten Erde und des feuchten Laubs war in seiner Nase so viel angenehmer als jedes köstliche Parfüm.
Cecily hatte auf seine Frage keine Antwort gegeben. Doch er wollte unbedingt eine Antwort haben.
Ich will, dass Ihr mich heiratet.
Vielleicht war es nicht unbedingt eine Frage gewesen. Es klang eher wie eine Aufforderung. Eine Erklärung dessen, was er wollte. Aber was Cecily wünschte, hatte sie bisher nicht ausgesprochen.
Darum wartete er inzwischen vollständig durchnässt. Er ignorierte die Unbequemlichkeiten, denn das Warten gehörte zu den Aufgaben eines jeden Kriegers. Er empfand das Wetter im Vergleich zu dem in Neuengland als mild, und obwohl seine Kleidung inzwischen vollständig durchnässt war, hatte er gute Laune. Schließlich hatte sie nicht Nein gesagt, überlegte er, während er sich hinter einer Eibe duckte, deren tropfende Zweige schwer nach unten hingen. Ganz im Gegenteil. Sie hatte ihn sogar herausgefordert, damit er sie verführte.
Er hoffte jedenfalls, dass seine zukünftige Frau verstand, wenn er diese Herausforderung annahm. Zumal ein so verlockender Preis auf dem Spiel stand.
In der Tat glaubte er, dass sie genau wusste, was sie mit ihm anrichtete.
Ein Teil von ihm hatte den Eindruck, er habe sie bereits für sich gewonnen. Ein anderer, primitiverer Teil wünschte zugleich, diesen Preis sofort für sich zu beanspruchen. Der eine Walzer war für ihn eine Lektion in Zurückhaltung gewesen, denn er hatte Cecily zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit in den Armen halten dürfen.
Der Duke hatte nicht geruht, an der Festlichkeit dieses Abends teilzunehmen, weshalb Jonathan vermutete, er habe sich früh zur Ruhe begeben oder sei noch in den Club gefahren. Roderick Francis war noch nicht nach Hause gekommen. Das war wenig überraschend, denn die meisten jungen Adeligen mit zu vielen Rechten gaben sich ausschweifenden Lustbarkeiten hin, die sich den Männern ihrer Stands und Reichtums boten, selten kamen sie vor dem Morgengrauen nach Hause. Daher ergab es durchaus Sinn, dass hinter zwei Fenstern noch Licht brannte, denn sowohl Cecily als auch ihre Schwester waren inzwischen daheim. Er musste jetzt nur noch entscheiden, hinter welchem Fenster sich die Gemächer welcher Schwester befanden. Wenn er in das Schlafgemach der falschen unverheirateten, jungen Lady einstieg, wäre das ein Fehler, den kein Mann gerne beging.
Ein guter Späher verstand sich darauf, die Lage zuerst auszukundschaften. Er legte seine Hand auf den Efeustamm und rüttelte daran, um zu prüfen, ob das Gewächs sein Gewicht aushielt. Erst dann begann er seinen Aufstieg. Er zog sich mit Leichtigkeit nach oben, und die Steinfassade ermöglichte es ihm, seine Füße in Mauervorsprünge zu setzen. Die alten Ranken waren stellenweise so dick wie sein Handgelenk. Wenige Augenblicke später balancierte er schon auf dem Sims vor dem ersten Fenster und spähte durch die Spitzengardine. Der Raum lag still da, und soweit er im Schein einer einzelnen Lampe, die auf dem Tischchen neben dem Bett stand, erkennen konnte, war der Raum leer. Er zog ein langes, dünnes Messer aus seinem Stiefel, schob die Messerspitze zwischen die Fensterflügel und hob mit einer raschen Aufwärtsbewegung den Riegel an.
In dem Augenblick, als er die Beine über die Fensterbank schob, wusste er, dass es sich um Cecilys Schlafzimmer handeln musste. Ihr Geruch war ihm inzwischen vertraut und strömte ihm verführerisch und sinnlich entgegen. Es war wie eine intime Berührung. Er streifte die Stiefel ab und ließ sie draußen auf dem Sims im Regen stehen. Sie wären später bestimmt alles andere als bequem, vermutlich ruinierte er sie damit sogar. Aber das kümmerte ihn nicht. Barfuß schlich er über den weichen Teppich. Das Bett hatte einen blassgelben Himmel, und die Decken waren in einer ähnlichen Farbe gehalten. Dieses Bett war ganz und gar weiblich und zart. Ein
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