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Verlockung der Nacht

Verlockung der Nacht

Titel: Verlockung der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
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so oft auf anzügliche Weise. Diesmal begutachtete er mich wie einen Feind, dessen Schwächen er einzuschätzen versuchte.
    »Glaubst du wirklich, du, eine Frau, könntest mich besiegen?«
    Von der Frauenfeindlichkeit einmal abgesehen hatte ich Kramer noch nie so vernünftig erlebt. Er klang ehrlich nachdenklich, und seine Stimme war so ruhig wie meine eigene – ein Riesenunterschied zu seiner üblichen Hexen-müssen-brennen-Raserei. Ich hätte ihm jetzt aufzählen können, wie viele andere arrogante Bastarde ich über die Jahre hinweg schon zu Fall gebracht hatte. Oder ihn darauf hinweisen, dass ich bereits seine Pläne hinsichtlich Francine, Sarah und Lisa durchkreuzt hatte, indem ich sie vor ihm in Sicherheit gebracht hatte, wollte aber lieber, dass er mich unterschätzte. Mach dir keine Gedanken über mich armseliges kleines Mädelchen, du großes böses Monster. Ich bin harmlos.
    »Worte sind Schall und Rauch. Wenn alles vorbei und nur einer von uns noch im Rennen ist, wissen wir, wer wen besiegt hat«, antwortete ich.
    Ein leises Rascheln im Haus sagte mir, dass jemand aufgewacht und auf dem Weg zur Tür war. Noch bevor er sie erreichte, erkannte ich an der Aura, dass es Bones war. Allein unser Flüstern hatte seinen leichten Schlaf gestört. Kramer schien nichts zu bemerken. Er war einzig und allein auf mich konzentriert.
    »Du bist zwar eine Frau, aber du bist stark«, stellte er noch immer nachdenklich fest. »Du hast das Auto von dir heruntergeschoben, als wäre es nichts.«
    Eigentlich war es extrem schmerzhaft gewesen. Unter anderen Umständen wäre ich darunter liegen geblieben, hätte »Au, au, auu!« gejammert und abgewartet, bis meine Verletzungen verheilt waren, aber das hatte ich mir zu dem Zeitpunkt nicht leisten können.
    »Du bist nicht der Erste, der versucht hat, mich so umzubringen«, antwortete ich und zuckte mit den Schultern, als wären beide Male keine große Sache gewesen. Ich konnte spüren, dass Bones in der Tür stand, aber statt nach draußen zu kommen, hielt er sich im Schatten des Türrahmens verborgen, sodass der Geist ihn nicht sehen konnte.
    Kramer lächelte, kühl und berechnend. »Ich wusste, dass dich das nicht töten würde.«
    Interessant. Jetzt, wo er es erwähnte, fiel mir auf, dass er während der kurzen Zeit, die ich unter dem Auto eingeklemmt gewesen war, auch nicht hektisch versucht hatte, den Tank zu entzünden. War er nicht auf die Idee gekommen, das Auto in die Luft zu jagen? Oder log er mich einfach an und hatte gar nicht gewusst, dass ich nicht sterben würde?
    Aber wie hätte ich wissen sollen, was im Kopf eines Irren vor sich ging?
    »Warum eigentlich dieses gesittete Gespräch statt des üblichen Gezeters?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln. »Fühlst du dich einsam, weil Francine, Lisa und Sarah weg sind, und du niemanden mehr zum Reden hast?«
    Bitte werde sauer und verrate mir, wer dein Komplize ist, flehte ich im Stillen . Na los, beeindrucke mich damit, wie viel Zeit du mit diesem unbekannten Arschloch verbringst!
    Aber das tat er nicht. Er schenkte mir nur einen weiteren nachdenklichen Blick. »Warum riskierst du so viel für sie? Sie bedeuten dir nichts.«
    »Nein, sie bedeuten dir nichts«, korrigierte ich ihn, ohne zu zögern, »aber mir bedeuten sie etwas, weil sie in Not sind und ich helfen kann. Würde ich meinen Arsch nur für Leute riskieren, die ich liebe, wäre ich nicht besser als die Hälfte der Monster, hinter denen ich her bin. Selbst schlechte Menschen setzen für ihre Lieben ihr Leben aufs Spiel. Dass du Frauen ausgewählt hast, die ich nicht kenne, bedeutet nicht, dass ich untätig mit ansehen werde, wie sie draufgehen.«
    Sein Lächeln wurde breiter, sodass ich die von Lücken umgebenen bräunlichen Zahnstummel sehen konnte. Unwillkürlich kam mir der befriedigende Gedanke, dass er sein hässliches Gebiss behalten musste bis in alle Ewigkeit, die er hoffentlich in unserem selbstgebauten Knast verbringen würde.
    »Du glaubst immer noch, du könntest mich aufhalten, Hexe , aber das kannst du nicht. Du fürchtest mich nicht, aber das wird sich bald ändern.«
    »Bestimmt nicht«, gab ich zurück. »Aus mir wirst du keine Stärke beziehen, weil ich dich aufs Korn genommen habe, Inquisitor. So ganz ohne feste Form bist du vielleicht schwerer zu töten, aber du jagst mir nicht mehr Angst ein als all die anderen Arschlöcher, die inzwischen tot sind, während ich noch hier stehe.«
    »Bis Samhain also«, sagte er nur und verschwand.
    Ich

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