Verlockung der Nacht
als Hexe bezeichnet und mir prophezeit, dass ich auch auf dem Scheiterhaufen enden würde, was ich als bedeutungsloses Gewäsch abgetan hatte. Zu spät erkannte ich nun, dass Kramer nichts ohne Grund tat.
Ich war mir so sicher gewesen, dass ich ihn besiegen konnte, weil er mich weit unterschätzte. Aber wie es aussah, war ich es, die ihn ziemlich unterschätzt hatte.
»Kramer weiß, dass er uns nicht auseinanderbringen kann«, begann ich, doch dann traf mich die Erkenntnis, und ich presste die Lippen zusammen.
Es sei denn, ich glaubte, ich könnte Lisa und Francine retten, indem ich allein zu ihm ging.
Bones’ Lächeln war eher ein Verziehen der Lippen.
»Ganz genau, Schatz, und deshalb glaube ich, dass du bald von einem Gespenst heimgesucht wirst.«
Ian machte sich zu einem Erkundungsflug auf, falls Sarah wider Erwarten Spades Wagen gut sichtbar geparkt hatte. Spade blieb im Obergeschoss bei Denise, wo er ihr zur schnelleren Heilung etwas von seinem Blut verabreichte. Soweit ich hören konnte, schlief sie jetzt fast normal, und auch ihr Puls war nicht mehr so schwach. Bones saß vor Spades Laptop und hackte sich in alle Accounts von Sarah ein, die er ausfindig machen konnte, um herauszubekommen, ob sie noch andere Immobilien besaß oder angemietet hatte, in die sie Francine und Lisa verschleppt haben konnte. Vielleicht war sie ja so dumm, wenn sie allerdings ihre Anweisungen von Kramer erhielt, bezweifelte ich das. Der Geist hatte sich als äußerst gerissen erwiesen, und es gab so viele leer stehende, verlassene Gebäude, dass es ein Wunder gewesen wäre, wenn wir auf diese Art zum Ziel gekommen wären.
Ich fand Helsing unter dem Sofa im Wohnzimmer, wo er sich verkrochen hatte. Ich musste es hochheben, damit er hervorkam, und brauchte dann noch meine ganze Überredungskunst, um ihn auf meinen Schoß zu locken. Er fauchte, wenn meine Hand beim Kraulen an seinen Hals kam. Vielleicht aufgrund böser Erinnerungen, vielleicht weil er noch Schmerzen hatte, vielleicht beides. Dexter saß zu meinen Füßen, meine tröstende Nähe suchend, ohne sich jedoch auf die Couch zu wagen, wo er sich in Reichweite von Helsings Krallen begeben hätte.
Tyler und meine Mutter waren unterwegs zu uns. Sie mussten sich nicht länger gedulden. Bones nagelte die aus den Angeln gerissene Haustür fest. Jeder, der kam oder ging, würde von jetzt ab die Hintertür benutzen müssen. Zur Geisterabwehr glomm in jedem Zimmer Salbei vor sich hin. Und doch schien Kramers Präsenz alles zu überschatten, verhöhnte uns durch Blutgeruch, der durch die geschlossene Tür des Zimmers drang, in dem Denise angeschossen worden war, bis hin zu den Räuchergefäßen, die wir immer wieder nachfüllen mussten. Als ich draußen ein Rascheln hörte, das nicht vom Wind oder Tieren kommen konnte, überraschte mich das nicht. Ich schob den Kater von meinem Schoß, bemüht, ihn nicht zu grob anzufassen, da er bestimmt noch Schmerzen von Sarahs Angriff hatte, und stand auf.
Bones blieb auf der Couch vor dem Laptop sitzen, strahlte aber einen Augenblick lang eine so geballte Energie aus, dass selbst seine mentalen Schilde sie nicht zurückhalten konnten.
»Sieh mal, ob du was Sinnvolles aus ihm rauskriegst«, meinte er und bedachte mich mit einem strengen Blick, »aber geh nicht mit ihm.«
Letzteres sagte er mit stahlhartem Unterton. Ich nickte und diskutierte auch nicht lange mit ihm herum, weil ich nicht vorhatte, mit dem Inquisitor irgendwohin zu gehen. Vorerst zumindest.
Ich begab mich zur Hintertür und von dort aus direkt zu dem verlassenen Stall, aus dem ich das Rascheln hatte kommen hören. Ich hatte keinen Salbei bei mir, glaubte aber auch nicht, dass Kramer gekommen war, um mich anzugreifen. Nein, jede Wette, dass er aus zwei Gründen hier war: um sich in Schadenfreude zu ergehen und mir ein Angebot zu unterbreiten, das ich seiner Meinung nach nicht ablehnen konnte.
Und tatsächlich schwebte eine mit einer Tunika bekleidete Gestalt etwa dreißig Zentimeter über dem Boden nahe der geöffneten Stalltür. Ich streckte die Hände aus zum Zeichen, dass ich keinen Salbei bei mir hatte, und blieb etwa zwanzig Meter vor dem Geist stehen.
»Rühr mich einmal an, und die Unterhaltung ist vorbei«, waren meine ersten Worte.
Aus dem Leuchten seiner Augen schloss ich, dass der Inquisitor zufrieden mit sich war. »Du fürchtest mich endlich, Hexe ?«
»Mein Geduldsfaden ist ziemlich kurz«, antwortete ich. »Für deine üblichen Spielchen habe ich also im
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